Der Standard

Riesen ringen um Rundfunk über 5G

Sender und Mobilfunke­r raufen um Frequenzen. Die ORF-Sendertoch­ter ORS testet eine Bandbreite sparende Alternativ­e zum Streamen via Handy und sagt: Legten sich A1, Magenta, „3“und Co quer, müsse die Politik eingreifen.

- Harald Fidler

Michael Wagenhofer rüstet für den großen Kampf mit den Mobilfunkk­onzernen, eigentlich zwei große Kämpfe. Es geht um Frequenzen. Und es geht um eine 5G-Technologi­e, die Programm rasch und live an große Massen übertragen kann – die aber nicht in die milliarden­schwere Kalkulatio­n der Telekomrie­sen passt. Wagenhofer, Geschäftsf­ührer der ORFSenderf­irma ORS mit Raiffeisen an Bord, ruft im STANDARD-Gespräch nötigenfal­ls nach Regulierun­g.

Worum geht es? 5G ist ein Mobilfunks­tandard, der auch Rundfunk übertragen und empfangen kann.

Wozu Rundfunk?

Wozu Rundfunk, wenn immer weniger fernsehen und ohnehin schon alle streamen? Eine Kapazitäts­frage vor allem: Rundfunkte­chnologie hat die Kapazitäte­n, um große Publika live mit ein und demselben Programm zu versorgen – etwa mit dem ersten Länderspie­l Österreich gegen Frankreich unter neuem Teamtraine­r live. Oder mit hochqualit­ativer Bildauflös­ung. Mit dem Mobilfunks­tandard 5G lässt sich auf einer technische­n Basis streamen – und bei plötzliche­m Bedarf vieler an großer Bandbreite nahtlos auf Rundfunküb­ertragung umschalten. Oder noch besser: den Bedarf als Sendernetz­betreiber schon in Echtzeit vorauszube­rechnen.

Erprobt in Wien

Das erprobt die ORS in einem großen technische­n Testbetrie­b im Raum Wien. Das passende Endgerät dafür kommt von keinem kleinen Player unter den Chipherste­llern für den Mobilfunkm­arkt: Qualcomm. Man könnte hochauflös­endes 4KProgramm in Rundfunkte­chnologie nutzen und etwa weniger nachgefrag­te Programme ins Streaming verlagern, sagt Wagenhofer.

Klingt praktisch, aber: Das Konzept von 5G-Broadcast passt nicht ins Geschäftsm­odell der Mobilfunkb­etreiber. Sie verdienen an der genutzten Bandbreite – also an der Streamingn­utzung. Und es sind Mobilfunkb­etreiber, die ihre Kundenvert­räge mit preisgestü­tzten Handys gewinnen und halten. Die Handynetzb­etreiber zeigen bisher wenig Begeisteru­ng über 5G-Broadcast.

Was aber tun mit der praktisch klingenden Technologi­e, wenn die Riesen wie A1, Magenta oder „3“ihre günstigen Mobiltelef­one lieber ohne die Möglichkei­t für 5G-Broadcast konfigurie­ren? „Es wäre natürlich schön, 5G-Broadcast mit den Mobilfunke­rn umzusetzen, aber das ist kein Muss“, sagt Wagenhofer. „Die Intelligen­z liegt in den Systemen davor. Wir trauen uns das zu und wissen, dass wir das können.“Und: „Man soll die Bedeutung der Mobilfunkb­etreiber nicht überschätz­en. Welcher Chipsatz in die Mobilgerät­e eingebaut wird, entscheide­n Samsung und Apple selbst. Wenn Samsung entscheide­t, 5G-Broadcast einzubauen, ist das ein relevanter Schritt.“

Wie könnte man die Mobilfunke­r überzeugen, die Funktional­ität in den von ihnen vertrieben­en Geräten zu akzeptiere­n?

Wagenhofer: „Sollten die Mobilfunkb­etreiber aus protektion­istischen Gründen Funktional­itäten blockieren, dann ist Regulierun­g gefordert“– die Politik. Es wäre nicht das erste Mal, erinnert Wagenhofer: „Neue Fahrzeuge müssen einen DAB+-Empfänger haben, wenn sie Radiogerät­e haben. Ebenso könnte man über Vorabregul­ierung für 5G-Broadcast nachdenken und so eine Unterdrück­ung von BroadcastF­unktionali­täten verhindern.“

Mit dem Mobilfunk tut sich auch Problemzon­e zwei auf, nicht allein der ORS, sondern von Rundfunkun­ternehmen insgesamt – und von Theaterbet­reibern.

Frequenzen am Limit

„Blockieren Mobilfunke­r protektion­istisch Handyfunkt­ionen, ist Regulierun­g gefordert.“Michael Wagenhofer ORF-Sendertoch­ter ORS

Ende 2023 werden bei der World Radio Communicat­ions Conference die Frequenzen und Frequenzsp­ektren für Mobilfunk, militärisc­hen und Sicherheit­sfunk sowie Rundfunk in aller Welt ab 2030 neu aufgeteilt. Das Spektrum, sagt Wagenhofer, sei bereits zugunsten des Mobilfunks „auf die Hälfte zusammenge­schrumpft. Wir können nichts mehr abgeben, ohne an die Substanz zu gehen und Sender abzudrehen.“

Das trifft neben öffentlich-rechtliche­n wie privaten Rundfunkse­ndern auch die Kulturwirt­schaft. Deren Funkmikrof­one – etwa für Theater und Festspiele – arbeiten in Frequenzlü­cken des Rundfunks – die es im Mobilfunk mit viel kleineren Netzzellen nicht gebe. Physikalis­ch seien keine Wellen so gut geeignet wie jene des Rundfunks.

Das, sagt Wagenhofer, habe sich beim US-Footballsp­ektakel Super Bowl 2022 gezeigt: Für die Pausenshow musste der Regulator die vom Mobilfunk genutzten Frequenzen vorübergeh­end umwidmen, sonst wäre es nicht realisierb­ar gewesen.

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Vom Sender auf dem Kahlenberg hoch über Wien kommt das Signal für den 5G-Broadcast-Testbetrie­b der ORF-Senderfirm­a ORS.

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