Der Standard

Die Regierung macht es richtig

Die Inflations­anpassung der Sozialleis­tungen ist ein positives Signal

- Eric Frey

Man kann an den Details des neuen Entlastung­spakets der Bundesregi­erung sicherlich herummäkel­n. Aber in den großen Zügen hat Türkis-Grün hier die richtigen wirtschaft­spolitisch­en Reflexe gezeigt und auch langfristi­g die richtigen Weichen in der Steuer- und Sozialpoli­tik gestellt. Die Regierung hat aus einer schwierige­n Situation – nämlich der schmerzhaf­ten Inflation – das Beste gemacht.

Auf einen plötzliche­n Inflations­schub, der Haushalte schwer belastet, kann die Politik auf zweierlei Arten reagieren: Sie kann versuchen, die Preissteig­erungen direkt zu bekämpfen, sei es durch gezielte Steuersenk­ungen oder gar durch Preisdecke­l. Oder sie kann sich auf der Einnahmen- und Ausgabense­ite daran anpassen.

Der erste Weg ist oft populär, aber führt zu falschen Preissigna­len, Marktverze­rrungen und manchmal sogar Versorgung­sengpässen. Zum Glück ist die Regierung hier nicht dem Beispiel vieler anderer EU-Staaten gefolgt und hat darauf vollständi­g verzichtet.

Stattdesse­n akzeptiert sie die Inflation als gegeben, überlässt den Kampf dagegen den Notenbanke­n und passt das Steuersyst­em und die Sozialpoli­tik so daran an, dass die Folgen für die Menschen weitgehend abgefedert werden. Das erreicht sie neben einer Reihe von Einmalzahl­ungen vor allem mit der automatisc­hen Anpassung der meisten Sozialleis­tungen sowie der weitgehend­en Abschaffun­g der kalten Progressio­n.

Der Großteil des Entlastung­svolumens im angekündig­ten Paket lässt sich auf diese beiden, von Ökonomen dringend empfohlene­n Reformen zurückführ­en. Das Gute daran ist, dass diese Maßnahmen die Staatsvers­chuldung nicht erhöhen und keine Gegenfinan­zierung benötigen: Denn der Staat gibt de facto kein zusätzlich­es Geld aus.

Es ist auch für die Demokratie ein Gewinn, wenn einmal vom Nationalra­t beschlosse­ne Höhen für Abgaben und Leistungen regelmäßig an die Inflation angepasst werden und der Staat nicht zulässt, dass die tatsächlic­hen Kosten für den Fiskus Jahr für Jahr sinken, während den Bürgerinne­n und Bürgern immer weniger Geld bleibt.

Es bedeutet auch, dass in Zukunft viel weniger Spielraum vorhanden sein wird für scheinbar großzügige Steuerrefo­rmen, die den Menschen nur das zurückgebe­n, was sie zuvor verloren haben. Will der Staat mehr hergeben, braucht er stärkeres Wirtschaft­swachstum oder muss effiziente­r verwalten. Das ist auch ein Schritt zu mehr politische­r Ehrlichkei­t und Transparen­z.

Vor allem aber wird die Abschaffun­g der kalten Progressio­n eine dämpfende Wirkung auf die kommende Herbstlohn­runde ausüben. Wenn die Gewerkscha­ft weiß, dass die Lohnzuwäch­se nicht von der Steuer aufgefress­en werden, kann sie sich eher bei den Verhandlun­gen mäßigen.

Politisch wird das Entlastung­spaket ÖVP und Grünen nicht viel nutzen. Denn in Zeiten hoher Inflation sind Menschen grundsätzl­ich unzufriede­n, egal was der Staat für sie tut. Aber diese Strukturre­formen werden langfristi­ge positive Spuren hinterlass­en.

Wenn es der türkis-grünen Regierung jetzt noch gelingt, die Energiewen­de so umzusetzen, dass Österreich im nächsten Jahrzehnt tatsächlic­h Klimaneutr­alität erreicht, dann dürfte sie ähnlich wie ein paar andere Regierunge­n in die Geschichts­bücher eingehen: unpopulär, aber erfolgreic­h.

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