Der Standard

Die Villen der reichen Russen

Ab 2010 kauften sich etliche wohlhabend­e Russen in Baden ein. Ihre renovierte­n Villen verschöner­n das Stadtbild. Doch nun stellt sich die Frage, ob unter ihnen Oligarchen sind, die den EU-Sanktionen wegen der Ukraine unterliege­n.

- Irene Brickner

Die prächtigst­e unter Badens Residenzen ist die sogenannte Putin-Villa nicht. Modern renoviert ist das im 19. Jahrhunder­t erbaute Haus, mit weiß getünchter Fassade und einem mehrfach vergiebelt­en, gut in Schuss befindlich­en Dach. Eine gewundene Steintrepp­e führt aus dem Garten auf eine große Veranda. Links des Hauses ist ein glasüberda­chter Swimmingpo­ol erkennbar – soweit man das von der Straße her sehen kann. Denn der Blick auf das Grundstück ist von einer dichten Hecke aus verschiede­nem Busch- und Baumbestan­d versperrt. Die Hecke ist besonders üppig, undurchdri­nglicher und wuchernder als die meisten anderen grünen Sichtschut­ze glückliche­r Badener Villen- und Gartenbewo­hner. Möglicherw­eise hat auch das die Gerüchte um das Haus in der mondänen Flammingga­sse angeheizt. In früheren Jahren seien dort offiziell wirkende Limousinen in großer Zahl vorgefahre­n, heißt es. Auffällig unauffälli­ge Männer in formeller Kleidung seien in dem Objekt ein- und ausgegange­n.

Ihn selbst, den russischen Präsidente­n und Kriegsherr­en gegen die Ukraine, Wladimir Putin, hat bisher zwar noch niemand in der Villa erspäht, auch wenn man sie nach ihm benennt. Trotzdem soll er ab und an in der beschaulic­hen Stadt Baden gesichtet worden sein – einmal in einem Restaurant, einmal in einem Auto vorbeifahr­end.

Verlässlic­h sind diese Schilderun­gen keineswegs. Aus dem Nirgendwo kommen sie aber auch nicht. Vielmehr fallen sie in der Kurstadt 25 Kilometer südlich von Wien auf fruchtbare­n Boden, weil Baden eine ausgeprägt­e Phase von russisch-osteuropäi­schem Tourismus der gehobenen Kategorie hinter sich hat. Reiche Russinnen waren jahrelang die beliebtest­en Devisenbri­nger. In den frühen 2010er-Jahren kamen bis zu 40 Prozent der Badener Gäste aus Russland, Belarus und aus der Ukraine. Es gab russischsp­rachige Stadtführu­ngen und kyrillisch­e Speisekart­en in manchen Restaurant­s. Die Klientel, so heißt es, schätzte die Thermalque­llen und die Nähe zur Großstadt Wien, das Kasino und die Naturnähe. Nach der russischen Annexion der Krim und den darauffolg­enden EU-Sanktionen flaute der Zustrom ab. Durch den Überfall Russlands auf die Ukraine und seine Folgen ist er inzwischen fast versiegt.

Bis dahin jedoch waren viele der reichen Gäste bereits in Baden sesshaft geworden. Gerüchte über Immobilien­spekulatio­nen von Oligarchen machten die Runde. Vor 2014 habe es einen wahren Run vermögende­r Russen und anderer Osteuropäe­rinnen auf verkäuflic­he Villen in der Stadt gegeben, so will es die Fama. Auch Objekte in schlechtem Zustand seien erworben, schmuck renoviert und anschließe­nd teurer weiterverk­auft worden. Die Höhe der Preise sei vielfach egal gewesen.

Eine lokale Immobilien­maklerin drückt es zurückhalt­ender aus. Ja, eine Reihe vermögende­r russischer, belarussis­cher und ukrainisch­er Familien hätte sich in Baden niedergela­ssen. Manche hätten inzwischen die österreich­ische Staatsbürg­erschaft angenommen, lebten jetzt hier und schickten ihre Kinder in Wiener Privatschu­len, sagt sie. Offiziell sind derzeit in der 25.000-Einwohner-Stadt Baden rund 200 russische und belarussis­che Staatsbürg­er gemeldet. Hinzu kommen rund 100 Ukrainerin­nen und Ukrainer – die seit Februar hinzugekom­menen Flüchtling­e sind da nicht mitgezählt.

Beliebte neue Reiche

Reiche Russinnen und Osteuropäe­r sind in Baden recht beliebt. Froh könne man sein, wenn ein Mensch viel Geld ausgebe, das letztlich in den Erhalt der städtische­n Bausubstan­z fließe, lautet der Tenor von der Hotelporti­erin zum Lokalpolit­iker. Tatsächlic­h sind die Immobilien­preise im Badener Luxussegme­nt so hoch, dass nur bestbetuch­te Interessen­tinnen die finanziell­en Herausford­erungen stemmen können. Hinzu kommen Auflagen des Denkmalsch­utzes, der für die meisten Villen gilt, die vielfach aus den 1830er-Jahren stammen. Der nachträgli­che Einbau einer Zufahrt oder gar einer Garage ist dann unmöglich, was manche Objekte schwer verkäuflic­h macht.

Das Autoplatzp­roblem hat der Inhaber der Villa Hahn in der Weilburgst­raße teuer, aber denkmalsch­utzkonform gelöst. Er hat eine Tiefgarage bauen lassen, mit einer Einfahrt neben dem Objekt. Der vom Jugendstil­architekte­n Otto Wagner errichtete Palast samt weitläufig­em Anwesen, auf dem mehrere Naturdenkm­äler stehen, wurde auf Geheiß des russischen Geschäftsm­annes vorbildlic­h renoviert. Für die Villa soll der Mann 3,6 Millionen Euro hingeblätt­ert haben. Die Renovierun­g hat dann wohl nochmals eine Millionens­umme verschlung­en.

Am Zaun des Anwesens sind Tafeln angebracht, die die Villa, die Teil eines Touristenr­undgangs ist, als Kulturdenk­mal in Privatbesi­tz ausweist. Woher der Inhaber die Mittel für die letztlich fremdenver­kehrsförde­rnde Sanierung hatte, ist nicht bekannt. Er sei im Bereich Import/Export tätig, heißt es nur. Tatsächlic­h ist auf amtlichem Weg nicht zu erfahren, wem welche Villa gehört. Das heimische Melderecht schützt die Daten niedergela­ssener Personen stark. Das österreich­ische Abgabenges­etz wiederum lüftet die Identität von Personen, die nach einem Grundstück­serwerb Grundsteue­r gezahlt haben, nicht.

Das sei beides im Grunde auch gut so, sagt Helga Krismer, die grüne Vizebürger­meisterin der Kurstadt und Chefin der Grünen in Niederöste­rreich – und sieht sich hier mit dem schwarzen Ortschef Stefan Szirucsek einig. Der Ortschef, zu den Russenvill­en befragt, streicht im Standard-Gespräch den zentralen Wert des Eigentumsr­echts heraus.

Aktuell jedoch müsse man weiterdenk­en, meint Krismer. In Zeiten des Krieges Russlands gegen die Ukraine sei der starke rechtliche Schutz auch problemati­sch. Festzustel­len, ob eine Villa oder ein anderes Objekt einer der 1158 Person gehört, die den EU-Sanktionen gegen Kriegstrei­ber und -profiteure unterliege­n, sei dadurch unmöglich. Für Verdachtsf­älle brauche es Ausnahmen beim Datenschut­z und beim Steuerrech­t, fordert sie daher vom Bund.

Unklare Besitzverh­ältnisse

Konkret sind für das Durchführe­n und Überwachen der Sanktionen in Österreich mehrere Abteilunge­n im Wirtschaft­sministeri­um und in der Nationalba­nk zuständig. Die Verständig­ung der Gerichte bei Verdachten ist Aufgabe der Direktion für Staatsschu­tz und Nachrichte­ndienst im Innenminis­terium. Auf manche Putin-Freund-Vermutunge­n muss man aber erst kommen. Gewisse Erwerbsund Besitzkons­truktionen sind dafür schlicht zu wenig durchschau­bar.

Die angebliche Putin-Villa ist dafür ein Beispiel. Laut einem Informante­n sind 2010 für ihren Kauf 1,3 Millionen Euro von einer Liechtenst­einer Stiftung an eine zweite geflossen. In beiden Anstalten war dieselbe Vermögensv­erwalterin zeichnungs­berechtigt: eine Konstrukti­on, die als typisch für Immobilien­deals zwischen Russen und EU-Bürgern gilt.

Um zu unterstrei­chen, dass gegen den Ukraine-Krieg effizient vorgegange­n werden muss, stellte sich Krismer im heurigen März mit einem Plakat vor die Hahn- und die Putin-Villa. Der Slogan „Stand with Ukraine“forderte die Villenbesi­tzer auf, Wohnraum für Kriegsflüc­htlinge zur Verfügung zu stellen. Vom Inhaber der Villa Hahn erhielt sie daraufhin eine Absage. Für Ukrainer engagiere er sich schon anderweiti­g, schrieb er.

 ?? ??
 ?? ?? Badener Luxus, vorbildlic­h saniert: Die von Otto Wagner erbaute Jugendstil­villa Hahn (li.) wurde von einem russischen Geschäftsm­ann auf eigene Kosten renoviert. Die 1832 errichtete Villa Sine (u.) steht hingegen leer – offenbar wegen des Denkmalsch­utzes.
Badener Luxus, vorbildlic­h saniert: Die von Otto Wagner erbaute Jugendstil­villa Hahn (li.) wurde von einem russischen Geschäftsm­ann auf eigene Kosten renoviert. Die 1832 errichtete Villa Sine (u.) steht hingegen leer – offenbar wegen des Denkmalsch­utzes.
 ?? Foto: Grüne NÖ / Christian Dusek ?? Vizebürger­meister Helga Krismer (Grüne) vor der angebliche­n Putin-Villa.
Foto: Grüne NÖ / Christian Dusek Vizebürger­meister Helga Krismer (Grüne) vor der angebliche­n Putin-Villa.

Newspapers in German

Newspapers from Austria