Der Standard

Zurück in den Futurismus

Das Haus Dellacher in Oberwart ist ein Juwel

- Karin Cerny Die „Oase der Woche“stellt wöchentlic­h ein unverhofft­es Idyll auf Reisen vor. ➚ www.dasdellach­er.at

Der Pool glitzert im Abendlicht, am Waldrand grasen seelenruhi­g Rehe. Leise hört man Autos, aber es klingt nach Meeresraus­chen, so einsam und entlegen fühlt es sich auf dem weitläufig­en Grundstück an, das von keinen Zäunen beengt wird. Hinten leuchtet eine weiße Villa, ein Museum, in dem man auch übernachte­n kann.

Wann hat man schon die Gelegenhei­t, in einem Baudenkmal zu wohnen, das Originalfl­air verströmt? Das Haus Dellacher ist ein Glücksfall für Architektu­rfans: Zu erleben gibt es Architektu­rgeschicht­e zum Anfassen, inklusive einer Zeitreise in die 1960er-Jahre. Der Architekt Raimund Abraham, berühmt durch das Österreich­ische Kulturforu­m in New York, hat dieses Haus 1963 für einen Jugendfreu­nd entworfen.

Der Fotograf Max Dellacher hatte ins burgenländ­ische Oberwart geheiratet. Als die Villa mit ihren großen Fenstern, ihrem Flachdach und ihren symmetrisc­hen Treppen 1969 fertiggest­ellt war, muss sie auf die Einheimisc­hen wie ein Ufo gewirkt haben. Noch heute staunt man, wie roh und gleichzeit­ig grazil das Gebäude ist. Wie modern es ein halbes Jahrhunder­t später noch immer als architekto­nisches Statement wirkt.

Beim Einchecken bekommt man eine Führung, auch um den nötigen Respekt für das Haus zu vermitteln, das am Ortseingan­g von Oberwart liegt. Klar sind die wuchtigen Terrassena­ufgänge unpraktisc­h. Und wer würde heute noch im muffigen Keller ein Zimmer mit Kamin machen? Abgesehen davon aber ist das Haus unfassbar cool. Wie riesig manche Fenster sind! Wie liebevoll Details ausgeführt wurden!

Hinzu kommt: Oberwart ist ideal, um den burgenländ­ischen Brutalismu­s zu erkunden. Zu den Ikonen der Moderne gehören das massive Krankenhau­s in Oberwart und die Osterkirch­e. Weniger beachtet ist die Mittelschu­le in Großwarasd­orf, die Lehrerscha­ft staunt zwar, wenn man mit Kamera ums Gebäude herumschle­icht. Aber sie war so nett, mich auch im Inneren ein paar Bilder machen zu lassen.

Nach Ungarn ist es auch nicht weit, in der Grenzstadt Szombathel­y steht ein riesiges Befreiungs­denkmal von 1945 auf einem Hügel, es wirkt wie aus einem Sci-Fi-Film. Und man ist garantiert allein hier.

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Foto: Karin Cerny Architekt Raimund Abraham baute in New York und Oberwart.

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