Der Standard

Scharf wie Curry

Die Basketball­er der Golden State Warriors haben sich unerwartet den NBA-Titel gesichert – dank des besten Werfers aller Zeiten, einer Spielrevol­ution und kühlen Management­s.

- Florian Vetter

Ohne Vergangenh­eit kann man keine Zukunft haben. Es war im Juni 2019, als sich Klay Thompson nach einem Foul das linke Kreuzband riss, am Weg in die Kabine der Scotiabank Arena in Toronto umdrehte und humpelnd zwei zugesproch­enen Freiwürfe verwertete. Die Golden State Warriors verloren nicht nur das Finale gegen die Toronto Raptors, es war das Ende einer Basketball­dynastie, hier hatte eine der besten Mannschaft­en, die die National Basketball Associatio­n (NBA) je gesehen hatte, ihren letzten großen Auftritt, da waren sich Kritiker einig.

Nun ja, es kam anders. Drei Jahre später sind die kalifornis­chen Krieger wieder auf dem Thron nach einem 103:90-Sieg im sechsten Finalspiel gegen die Boston Celtics, Endstand 4:2. Es ist der erste Meistertit­el seit 2018, der vierte in den vergangene­n acht Jahren, und er kam unerwartet nach einem Abstieg ins Jammertal samt Verletzung­en und dem Abgang von Superstar Kevin Durant. „Vor Beginn der Saison hat niemand geglaubt, dass wir das schaffen würden. Außer uns. Das ist surreal“, sagte Trainer Steve Kerr. 2020 war Golden State das schlechtes­te Team der Liga, im Vorjahr verpasste man ebenfalls das Playoff. Das war die Mannschaft aus San Francisco nicht gewohnt, die mit ihrem ganz eigenen Stil eine Sportart revolution­ierte.

Kerr, der sich immer wieder emotional zur US-Waffenpoli­tik äußert, schuf ein passintens­ives System, das von ständiger Bewegung abseits des Balles lebt und so Abwehrreih­en durcheinan­derwirbelt. Wurfchance­n werden blitzschne­ll wahrgenomm­en. Ein Spiel gegen dieses Team fühle sich an, als sitze man in einem Boot mit drei Löchern, aber nur zwei Stöpseln, so beschrieb es der Defensivtr­ainer eines Kontrahent­en. Die Warriors-Offensive findet zuverlässi­g das dritte Loch.

Die Revolution

Und es ist ein Erfolg, der rund um einen Spieler aufgebaut wurde: Wardell Stephen Curry II, wie er mit vollem Namen gleich seinem Vater, einem Ex-NBA-Profi, heißt. Der 34jährige Spielmache­r kam in den sechs Partien gegen Boston im Schnitt auf 31,2 Punkte, 5,8 Rebounds und fünf Assists, dafür wurde er auch zum wertvollst­en Spieler der Finalserie gekürt.

Kaum jemand hätte Curry in seinen Anfängen den Aufstieg zum besten NBA-Werfer aller Zeiten zugetraut. Ein dürrer Bursch, gerade mal 1,91 Meter groß, wiewohl auffallend als Punktelief­erant für das kleine Davidson-College im US-Bundesstaa­t North Carolina.

Früher passte man den Ball zu Elefanten unter den Körben wie dem 145 Kilo schweren Shaquille O‘Neal oder Tim Duncan. Der Distanzwur­f war quasi eine Ausweichop­tion. Stephen Curry kultiviert­e den Dreier, nahm ihn sich tonnenweis­e. Seit vergangene­n Dezember ist Curry offiziell der beste Dreierschü­tze aller Zeiten, mittlerwei­le hält er bei sagenhafte­n 3117 verwandelt­en Würfen vor Ray Allen (2973) und James Harden (2593). In Currys erstem NBA-Jahr 2010 gab es in einer Partie im Schnitt 18,1 DreierVers­uche – in der abgelaufen­en Saison lag dieser Wert je Team bei 35,4. „Er hat die Art, wie das Spiel gespielt wird, revolution­iert“, sagt NBA-Boss Adam Silver.

Geld spielt keine Rolex

Für den Besitzer der Warriors, Joe Lacob, war Curry jedenfalls ein Goldgriff. Im Verein setzt man seit Jahren im Kader auf Kontinuitä­t. Golden State ist einer der reichsten Klubs der NBA, das Silicon Valley ums Eck. Der 66-jährige Lacob hat sein Milliarden­vermögen als Finanzinve­stor gemacht, 2010 kaufte der US-Amerikaner Mehrheitsa­nteile an den Warriors. Gutes Timing, könnte man sagen.

Weil das Geld auf der Straße liegt, können die Warriors auch die Salary-Cap-Auflagen der NBA massiv überschrei­ten und zusätzlich zu den Spielergeh­ältern von 171 Millionen Dollar 56 Millionen als sogenannte Luxussteue­r in einen Topf der Liga einzahlen, aus dem wirtschaft­lich schwächere Teams alimentier­t werden. Aber Geld allein ist bekanntlic­h keine Sieggarant­ie. „Sind sie das talentiert­este Team?“, fragte der amerikanis­che TV-Experte Mark Jackson, leicht verbittert­er Vorgänger von Kerr als Warriors-Coach, nach dem Triumph und gab sich selbst die Antwort: „Nein, aber sie haben den besten Zusammenha­lt.“

Die Boston Celtics verpassten die Chance, sich zum alleinigen Rekordcham­pion zu krönen, halten weiter bei 17 Titeln wie die Los Angeles Lakers. Knackpunkt war Spiel vier, die Celtics hätten 3:1 in der Serie in Führung gehen können, leisteten sich aber zu viele Ballverlus­te und hatten die schwächere Bank. Celtics-Coach Ime Udoka: „Die größte Botschaft ist, an der Niederlage zu wachsen und das nächste Level zu erreichen.“

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Stephen Curry ist der beste Werfer aller Zeiten, gewann seinen vierten NBA-Titel mit den Golden State Warriors.

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