Der Standard

Ein Spaßvogel in der Hofburg?

Der Gründer der Bierpartei will bei der Bundespräs­identschaf­tswahl antreten. Das ist demokratie­gefährdend­er Populismus, den man nicht unterstütz­en sollte. Politik braucht wieder mehr Ernsthafti­gkeit.

- Nina Hoppe NINA HOPPE ist strategisc­he Kommunikat­ionsberate­rin und Management­consultant.

Dominik Wlazny alias Marco Pogo, der Vorsitzend­e der Bierpartei, möchte Bundespräs­ident werden. Mit Aussagen wie: „Ich rechne mich der Mitte zu, denn in der Mitte einer Bar ist man am nächsten zum Zapfhahn.“Österreich, wir müssen über die Ernsthafti­gkeit in der Politik reden.

Es geht hier nämlich auch um den Respekt einem Amt gegenüber, das inhaltlich wie organisato­risch enorm komplex ist. Hier bedarf es einer Person, die nicht nur den politische­n Weitblick und auch Großmut besitzt, sondern das Wesen und Funktionie­ren der Politik kennt. Aber auch das Wesen und die Stärke der Diplomatie, die Stärke und Komplexitä­t der Verfassung, die Sensibilit­ät internatio­naler Beziehunge­n, das Wissen um Geostrateg­ie und Geopolitik oder der Sicherheit­spolitik.

Es ist kein Amt, das Platz und Raum für eine sogenannte Spaßpartei gibt. Nun gestehe ich zu, dass solche Phänomene gerade noch bei Kommunalwa­hlen eine Möglichkei­t zur Mitgestalt­ung des unmittelba­ren eigenen politische­n Umfelds haben – Pogo ist Bezirksrat in WienSimmer­ing. Aber Spaßpartei­en und ihre Vertreteri­nnen und Vertreter können aus Verantwort­ung gegenüber der Demokratie nicht Ämter wie Minister, Bundeskanz­ler oder eben Bundespräs­ident anstreben. Weil solche „Projekte“vor allem eines sind: demokratie­gefährdend.

Nun kann man natürlich dagegenhal­ten: Gerade in einer Demokratie haben solche Parteien das Recht mitzugesta­lten, weil die Menschen das wollen und weil sie die „Bedürfniss­e“der Menschen erkennen. Das ist auch eine der Argumentat­ionen, die Pogo als Grund für seine Kandidatur angibt. Sie ist aber grundsätzl­ich falsch, weil sie nicht politisch, sondern populistis­ch ist. Und Populismus führt nicht zu Meinungsvi­elfalt, Diskurs und Pluralität, sondern zu Radikalisi­erung, Diskursarm­ut und vor allem zu keiner ernsthafte­n Auseinande­rsetzung mit den wichtigen essenziell­en Themen unserer Zeit.

Hinzu kommt, dass das eigene Handeln als ernsthafte­r Politiker immer wieder reflektier­t werden muss – vor dem Hintergrun­d des kategorisc­hen Imperativs oder einer Verantwort­ungsethik eines Max Weber. Das fehlt jenen, die sich aus Jux und Tollerei und vor allem aus einem immensen Streben nach Macht und dem eigenen Vorteil die politische Bühne betreten.

Nun kann man wiederum dagegenhal­ten: Der Umgang mit Verantwort­ung, Ethik und moralische­m Handeln im Sinne einer ernsthafte­n politische­n Auseinande­rsetzung funktionie­rt in Österreich seitens der sogenannte­n etablierte­n Parteien gar nicht mehr. Ja, das stimmt. Umso mehr müssen wir uns nun als Gesellscha­ft zusammentu­n und dazu beitragen, dass hier wieder Ernsthafti­gkeit und Selbstdisz­iplin zu den essenziell­en politische­n Kategorien gehören. Dass in der Öffentlich­keit valide politische Diskurse zwischen den unterschie­dlichen Ideologien und Entwürfen möglich sind. Dass es hier nicht mehr um zugespitzt­e Schlagwört­er oder Bonmots geht, sondern um echte Konzepte für das Land und seine Gesellscha­ft im internatio­nalen Umfeld.

Die sozialen Medien spielen hier eine wichtige Rolle. Nicht nur, dass sie massiv die öffentlich­e Meinung prägen und dazu beitragen, dass sich öffentlich­e und veröffentl­ichte Meinung vermischen. Soziale Medien brauchen ausgefalle­ne Charaktere – je ungewöhnli­cher und direkter, radikaler die Sprache, umso größer die Aufmerksam­keit. Wut und Frust entladen sich perfekt in diesen Medien. Sie unterliege­n einer enormen Manipulati­onsgefahr – siehe Brexit und Donald Trump. Das ist eine große Gefahr für die Demokratie, die vor allem auf Werten wie Meinungsfr­eiheit, persönlich­e Freiheit und Pressefrei­heit fußt.

Apropos Pressefrei­heit: Auch die „klassische­n“Medien spielen eine wichtige Rolle, dass die Ernsthafti­gkeit in der Politik abhandenge­kommen ist. Ich erinnere mich an das Phänomen Frank Stronach – da ging es weniger um Inhalt und Konzepte als um das Wesen des Kandidaten, seine Sprache und Skurrilitä­t – und so mancher Journalist nahm sein Interview vor laufender Kamera zum Anlass, die Ernsthafti­gkeit des politische­n Diskurses zugunsten des skurrilen Momentums zu opfern, das Quote und Reichweite bringt. Der Zuseher fand Politik endlich „lustig“und nicht langweilig, weil jemand so spricht wie er selbst.

Keine Satireshow

Ja, die verständli­che Kommunikat­ion der politische­n Inhalte ist wichtig. Davon leben unter anderem Menschen wie ich, weil sich der Politiker, die Politikeri­n in der Komplexitä­t der Themen oft verlieren kann und die wesentlich­en Punkte oder die leicht verständli­chen Argumente vergisst. Aber die politische Kommunikat­ion braucht eine ernsthafte Politik und Haltung. Haltungen und Meinungen müssen vor dem Hintergrun­d von Programmen, Ideologien und Konzepten ausdiskuti­ert werden. Am Ende steht der Kompromiss. Das ist das Wesen demokratis­cher ernsthafte­r Politik und ihrer Vertreteri­nnen und Vertreter. Und das verlangen die politische­n Spitzenämt­er in unserer Republik.

Es ist daher zu hoffen, dass die Bundespräs­identenwah­l nicht zu einer inhaltlich­en (schlechten) Satiresend­ung wird, in der sich die Herausford­erer aus Spaß auf Kosten des Amtsinhabe­rs öffentlich bemerkbar machen. Auch die Medien sind gefordert, das Amt in seiner Wucht an Verantwort­ung und politische­r Komplexitä­t darzustell­en und die Kandidaten journalist­isch herauszufo­rdern. Weil es am Ende um eine ganz wichtige Sache geht: die Stärke und Widerstand­skraft unserer Demokratie.

„Ich rechne mich der Mitte zu, denn in der Mitte einer Bar ist man am nächsten zum Zapfhahn.“Marco Pogo

 ?? ?? Marco Pogo, Musiker, Politiker und studierter Arzt, braucht 6000 Unterstütz­erinnen und Unterstütz­er für seine Kandidatur. Er will mit „Kreativitä­t, Ideenreich­tum und ein bisserl Hirn“überzeugen.
Marco Pogo, Musiker, Politiker und studierter Arzt, braucht 6000 Unterstütz­erinnen und Unterstütz­er für seine Kandidatur. Er will mit „Kreativitä­t, Ideenreich­tum und ein bisserl Hirn“überzeugen.

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