ÖVP lässt Kogler bei Wohnbeihilfe vorerst abblitzen
Aus für kalte Progression soll in die Verfassung
Nach der Entlastung ist vor der Entlastung: Vizekanzler Werner Kogler ist das von der eigenen Regierung präsentierte Maßnahmenpaket nicht genug. Die Länder sollten kostengeplagte Mieter mit höheren Wohnbeihilfen unterstützen, wünscht sich der Grünen-Chef. Wenn nötig, würde der Bund Geld dafür zuschießen.
Bei Sozialorganisationen rennt Kogler damit offene Türen ein, zumal sich die Situation für viele nicht nur wegen der Teuerung verschlechtert hat. Laut dem einst von der mittlerweile abgelösten türkis-blauen Regierung beschlossenen Sozialhilfegrundsatzgesetz ist der Bezug einer etwaigen Wohnbeihilfe als Einkommen anzurechnen, womit die Betroffenen im Gegenzug weniger Sozialhilfe bekommen. Die Behörden in den Ländern setzen diesen Passus offenbar in unterschiedlicher Konsequenz um.
Doch die größere Regierungspartei will vorerst nicht aufspringen. Jetzt solle einmal das Entlastungspaket greifen, heißt es aus dem Büro von Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer: „Dann sehen wir weiter.“
Steigende Nettolöhne
Bereits durchgerungen hat sich die Regierung zur Abschaffung der kalten Progression. Damit sollen ab 2023 die verfügbaren Einkommen privater Haushalte steigen, was wiederum die Nachfrage stärken soll. Laut einer Analyse von Eco Austria sollen die realen Nettolöhne im Schnitt im Jahr 2023 um 0,8 Prozent höher ausfallen, 2025 um knapp 1,8 Prozent. Gestärkt werden soll somit auch der Arbeitsmarkt. Laut Eco Austria, das sich die makroökonomischen Effekte durch die Abschaffung der kalten Progression im Auftrag des Finanzministeriums angesehen hat, erhöht die Abschaffung der automatischen Steuervorrückung die Beschäftigung im Jahr 2026 um 0,5 Prozent, was 23.000 zusätzlich Beschäftigten entspricht.
Die geringere Abgabenlast werde über diese erfreulichen Effekte Rückwirkungen auf die öffentlichen Finanzen haben. So führe der positive Konsumeffekt zu höheren Einnahmen aus Konsumsteuern, und der Beschäftigungseffekt habe zur Folge, dass Sozialversicherungsbeiträge bzw. Lohnsummenabgaben zunehmen und die Einkommensteuer weniger stark zurückgehe. Damit finanziere sich die Maßnahme zu rund 40 Prozent selbst.
Weniger Spielraum
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) will das Aus für die kalte Progression auch in der Verfassung festschreiben. Notwendig dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Die Neos begrüßen diese Idee, fordern aber eine volle Inflationsanpassung. Kritik zu Brunners Idee kam von SPÖ und FPÖ.
Verfassungsjurist Heinz Mayer erachtet die Abschaffung der kalten Progression als eher schwache Maßnahme. Die Verankerung der Abschaffung in der Verfassung sieht er skeptisch. Es sei zwar okay, einst beschlossene Steuerstufen an die Kaufkraft anzupassen. „Die Verankerung in der Verfassung schränkt aber den Spielraum ein“, sagt Mayer zum STANDARD. In Zeiten, in denen die Politik mit Steuererhöhungen nicht weiterkomme, mache die kalte Progression durchaus Sinn. Ein Rausholen der Maßnahme aus dem Verfassungsrang würde sich jede Opposition wohl teuer abkaufen lassen. (jo, bpf)