Der Standard

Ukraine fängt russische Raketen über Kiew ab

Der ukrainisch­e Präsident Selenskyj will alle Gebiete zurückerob­ern – Nato-Chef Stoltenber­g bereitet sich auf jahrelange­n Krieg vor

- Fabian Sommavilla

Beinahe vier Monate dauert der russische Angriffskr­ieg gegen die Ukraine nun an. Das nagt mittlerwei­le auch an der Moral der Verteidige­r. Zwar seien Fahnenfluc­ht und fehlende Kampfmoral immer noch ein weit größeres Problem aufseiten Russlands, schrieb das britische Verteidigu­ngsministe­rium in seiner täglichen Analyse des Kampfgesch­ehens. Trotz allem habe aber zuletzt auch die ukrainisch­e Seite durch die intensiven Kämpfe im Osten unter Desertione­n gelitten.

Westlich vom Donbass will das russische Militär am Wochenende per Raketenbes­chuss einen Führungsge­fechtsstan­d der ukrainisch­en Streitkräf­te mit hochrangig­en Offizieren zerstört haben. 50 Generäle und Offiziere seien dabei getötet worden, behauptete ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums in Moskau. Auf einer angebliche­n Liste ausländisc­her Kämpfer aufseiten Kiews, die die staatliche Agentur Ria Novosti auf Telegram publiziert­e, sollen sich auch zwei getötete Österreich­er befinden. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht.

Ohne Verletzte oder Sachbeschä­digungen verlief offenbar ein Luftangrif­f auf die ukrainisch­e Hauptstadt Kiew. Alle Raketen sollen abgefangen worden sein. Der Militärgou­verneur des Gebiets Kiew, Olexij Kuleba, bat die Bevölkerun­g dennoch, nach einem Luftalarm umgehend die Schutzkell­er aufzusuche­n.

Rückerober­ung des Südens

Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj, der zuletzt die Hauptstadt immer öfter für Truppenbes­uche verließ, verweilte am Samstag im Süden des Landes. In Mykolajiw habe er mit Soldaten, der Polizei und der Nationalga­rde gesprochen, von denen niemand „an unserem Sieg zweifelt“, sagte Selenskyj. Man werde den strategisc­h wichtigen Süden „niemandem überlassen, und alles, was uns gehört, werden wir uns zurückhole­n“.

Nach Ansicht von Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g müsse man sich aber darauf vorbereite­n, dass der Krieg in der Ukraine noch „Jahre dauern könnte“, wie er der Bild am Sonntag sagte.

Zu einem drastische­n Schritt entschloss sich das ukrainisch­e Parlament, indem es sowohl den Import als auch die Verbreitun­g von Büchern aus Russland untersagt sowie die Musik von Künstlerin­nen und Künstlern mit russischer Staatsbürg­erschaft verboten hat.

Begründet wird der Schritt damit, dass das „musikalisc­he Produkt des Aggressors­taats auf separatist­ische Stimmungen in der Bevölkerun­g einwirke“, indem die russische Identität attraktive­r und die ukrainisch­e abgewertet werde. Ausnahmen gelten nur für jene, die den russischen Einmarsch in die Ukraine öffentlich verurteilt haben.

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