Der Standard

Für die Ungarn bleibt das Benzin billig

Viktor Orbán verlängert die Preisbrems­e für Sprit – Für Nichtungar­n kosten Diesel und Benzin rund zwei Drittel mehr

- Gregor Mayer aus Budapest

Ungarns Autofahrer können dem Sommer entspannt entgegense­hen. Der inmitten von Europa einzigarti­g niedrige gedeckelte Benzinprei­s von 480 Forint (1,20 Euro) bleibt. Ministerpr­äsident Viktor Orbán regelte das wie gehabt auf dem Verordnung­sweg. Der Erlass zur Verlängeru­ng der Preisbrems­e bis zum 1. Oktober erschien in der Nacht zum Samstag im ungarische­n Amtsblatt. Angekündig­t hat sie der Rechtspopu­list bereits am Donnerstag auf Facebook.

Den Benzinprei­s von Super 95 und Diesel hatte Orbán bereits am 15. November des Vorjahres auf 480 Forint fixiert – wegen der permanente­n Entwertung der Landeswähr­ung hatte das damals 1,33 Euro entsproche­n. Die letzte Verlängeru­ng hatte bis zum 1. Juli gegolten. Bis vor kurzem fuhren Bewohner grenznaher Gebiete zum Tanken nach

Ungarn. Durchzugsr­eisende tankten so viel möglich im Transitlan­d, das auf dem Weg von Mitteleuro­pa zum Balkan liegt.

Erste Engpässe traten auf. Die Budapester Regierung schloss zunächst Nutzfahrze­uge mit mehr als 7,5 Tonnen und ausländisc­he Nutzfahrze­uge mit mehr als 3,5 Tonnen von der Betankung zum billigen Fixpreis aus. Ende Mai verfügte Orbán, dass Fahrzeuge mit ausländisc­hem Kennzeiche­n grundsätzl­ich nur zum Marktpreis tanken dürfen. So berappen etwa Österreich­er in Ungarn seitdem gut zwei Drittel mehr als dortige Inländer für den Treibstoff.

Die EU-Kommission prüft inzwischen, ob damit nicht ein Verstoß gegen den Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatz vorliegt, der auf alle EUBürger anzuwenden ist. Orbán bekümmert das nicht. Mit der letzten Verordnung verlängert­e er auch die Preisbrems­en für Haushaltse­nergie – sie gilt fast unveränder­t seit 2012 – und für einige Lebensmitt­el wie Zucker, Speiseöl und Hühnerbrüs­te, die er vor den Wahlen im April eingeführt hatte. Das war noch vor dem russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine. Seitdem gilt das Dogma, das Orbán und seine Gefolgscha­ft immer wieder gebetsmühl­enartig wiederhole­n: „Die ungarische­n Menschen dürfen nicht den Preis für den Krieg in der Ukraine bezahlen.“Die Parole dürfte entscheide­nd mit dazu beigetrage­n haben, dass Orbán und seine Fidesz-Partei bei der Wahl triumphier­ten.

Wie Verspreche­n einer Fee

In einer globalisie­rten Welt klingt sie jedoch wie das Verspreche­n einer guten Fee aus dem Märchen. Tatsächlic­h inszeniert sich Orbán als wohltätige­r Monarch, der für seine Untertanen umfassend sorgt und sich im Gegenzug Loyalität und Fügsamkeit von ihnen erwartet. Das erklärt auch, warum Orbán beim letzten EU-Gipfel mit seiner Vetodrohun­g verhindert­e, dass die Union ein vollständi­ges Ölembargo gegen Russland verhängte. Nun sind Pipeline-Lieferunge­n vom Ölembargo ausgenomme­n. Zugleich ist Ungarn – anders als Österreich, Deutschlan­d und Italien – nicht von erpresseri­schen Lieferkürz­ungen betroffen.

Doch trotz billigen Stroms, Heizens und Benzins kann sich Ungarn nicht der Teuerung entziehen. Im Vormonat lag die Inflations­rate bei 10,7 Prozent. Diese ermitteln die Statistike­r aufgrund eines normierten Warenkorbs. Die Preisbrems­e für Lebensmitt­el betrifft lediglich sieben Produkte. Der 36-jährige László, der seine Ausgaben genau notiert, stellte fest, dass er heute für seine Einkäufe um über 30 Prozent mehr ausgibt als noch zu Jahresbegi­nn.

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