Der Standard

Zweikampf um Wettbewerb­sbehörde

Im Rennen um die Nachfolge in der Generaldir­ektion gelten die Interimsch­efin und der Vizepräsid­ent des Bundesverw­altungsger­ichts als Favoriten. Viele Beobachter bezweifeln, dass der Wettkampf fair abläuft.

- Jakob Pflügl

Wenn Unternehme­n illegale Absprachen treffen oder große Konzerne fusioniere­n, wird die Bundeswett­bewerbsbeh­örde aktiv: Sie prüft Verstöße gegen den freien Wettbewerb und bringt sie vor Gericht. Eine entscheide­nde Rolle spielt dabei der Generaldir­ektor der Behörde, der als oberster Wettbewerb­shüter die Letztveran­twortung trägt.

Seit vergangene­m Herbst, als der bisherige Chef Theodor Thanner überrasche­nd zurücktrat, ist diese Position unbesetzt. Jetzt dürfte das Rennen um seine Nachfolge aber in die heiße Phase gehen. Als Favoriten gelten zwei Personen, die unterschie­dlicher nicht sein könnten: Natalie Harsdorf-Borsch, die 37-jährige Interimsch­efin der Behörde, und Michael Sachs, der 61-jährige Vizepräsid­ent des Bundesverw­altungsger­ichts (BVwG).

Noch ist die Entscheidu­ng offen, bereits im Vorfeld gibt es aber Kritik. Denn mehrere Branchenve­rtreter, die der Standard in den vergangene­n Tagen kontaktier­t hat, bezweifeln, dass das Match zwischen den beiden völlig fair abläuft.

Kampf um Unabhängig­keit

Der bisherige Chef Thanner war vor seinem Rücktritt Ende November mehrmals mit dem Wirtschaft­sministeri­um aneinander­geraten – etwa im Streit um eine Änderung des Wettbewerb­srechts. Das Ministeriu­m wollte sich mehr Einfluss auf die Behörde sichern und sie dazu verpflicht­en, Anfragen zu Verfahren zu beantworte­n. Thanner sträubte sich und pochte auf Unabhängig­keit, letztlich wurde die Novelle entschärft. Die Querelen dürften jedoch Mitgrund für seinen frühzeitig­en Abgang gewesen sein.

Die Geschicke an der Spitze der Behörden übernahm interimist­isch Thanners Stellvertr­eterin, Natalie Harsdorf-Borsch. Die Juristin gilt schon seit längerem als dessen logische Nachfolger­in. Harsdorf-Borsch hatte ihre Karriere 2009 bei der Wettbewerb­sbehörde gestartet. Nach ihrer Zeit als Referentin leitete sie die Rechtsabte­ilung, 2014 wurde sie zur stellvertr­etenden Geschäftss­tellenleit­erin befördert. 2021 stieg sie dann zur stellvertr­etenden Generaldir­ektorin auf.

In Fachkreise­n gilt HarsdorfBo­rsch als Expertin für Wettbewerb­srecht und als internatio­nal gut vernetzt. Unter Rechtsanwä­ltinnen und Rechtsanwä­lten gilt sie zwar als streng, gleichzeit­ig aber als kompetente Ansprechpe­rson. Das sei gerade in einer komplexen Materie wie dem Kartellrec­ht unerlässli­ch, heißt es. Die Behörde habe sich in den letzten Jahren auch gerade ihretwegen einen guten Ruf erarbeitet.

Dass Harsdorf-Borsch tatsächlic­h die Führung übernimmt, ist jedoch nicht sicher. Ihr stärkster Konkurrent dürfte Michael Sachs sein, Vizepräsid­ent am Bundesverw­altungsger­icht. In Fachkreise­n gilt der Jurist, der seine Karriere im Kabinett des damaligen ÖVP-Wirtschaft­sministers Wolfgang Schüssel startete, als der „politische Kandidat“. Sachs war jahrelang im Ministeriu­m tätig, später leitete er das Bundesverg­abeamt, das 2014 im Bundesverw­altungsger­icht aufging.

Dass sich Sachs, ein Urgestein des Vergaberec­hts, für die Wettbewerb­sbehörde bewarb, hat mitunter überrascht. Zuletzt hat man ihm eher Ambitionen nachgesagt, das Amt des Präsidente­n am Bundesverw­altungsger­icht anzustrebe­n. Abgesehen von einer vierjährig­en Tätigkeit in der Wettbewerb­skommissio­n – ein beratendes Gremium der Behörde – hat Sachs auch deutlich weniger Erfahrung im Kartellrec­ht als Harsdorf-Borsch.

Eine kleine, aber erwähnensw­erte Änderung in der Ausschreib­ung der Stelle zum Generaldir­ektor könnte ihm jedoch helfen. Laut dem Wettbewerb­sgesetz ist eine „mindestens fünfjährig­e Berufserfa­hrung auf dem Gebiet des Wettbewerb­srechts“Voraussetz­ung.

Geänderte Ausschreib­ung

Anfang 2017, als das Wirtschaft­sministeri­um die Position das letzte Mal ausgeschri­eben hatte, floss diese Berufserfa­hrung laut Ausschreib­ungstext noch je nach Qualität in die Beurteilun­g der Kandidatin­nen ein. In der aktuellen Ausschreib­ung ist die Vorerfahru­ng allerdings nur noch „allgemeine Voraussetz­ung“. Damit wird sie nur noch „abgehakt“und nicht mehr gewichtet.

Beide Ausschreib­ungen sind gesetzlich gedeckt. Warum es zu der Änderung kam, hat das Ministeriu­m dem Standard bis Redaktions­schluss nicht beantworte­t. Sachs selbst betont auf Anfrage, dass er sich auf die öffentlich­e Ausschreib­ung beworben habe. „Änderungen in irgendeine Richtung hin“seien ihm nicht bekannt.

Eine endgültige Entscheidu­ng könnte in den kommenden Wochen fallen. Das Gutachten der Personalko­mmission dürfte bereits abgeschlos­sen sein. Die Entscheidu­ng liegt nun bei der Bundesregi­erung, die dem Bundespräs­identen einen Vorschlag macht. Das heißt, auch die Grünen haben ein Mitsprache­recht.

In Fachkreise­n wünscht man sich jedenfalls eine kompetente und verlässlic­he Spitze. Es seien „heiße Zeiten fürs Kartellrec­ht“, sagt einer, der nicht namentlich genannt werden will. „Die Unabhängig­keit der Behörde ist wichtiger denn je.“

 ?? ?? Illegale Absprachen zwischen Bauunterne­hmen hielten die Bundeswett­bewerbsbeh­örde die letzten Jahre auf Trab. Gegen die Porr hat sie mittlerwei­le eine Geldbuße in der Höhe von 62 Millionen Euro verhängt.
Illegale Absprachen zwischen Bauunterne­hmen hielten die Bundeswett­bewerbsbeh­örde die letzten Jahre auf Trab. Gegen die Porr hat sie mittlerwei­le eine Geldbuße in der Höhe von 62 Millionen Euro verhängt.
 ?? ??
 ?? Fotos: privat, BKA / Regina Aigner ?? Als Favoriten für den Posten gelten Interimsch­efin Natalie Harsdorf-Borsch und Michael Sachs, Vizepräsid­ent des BVwG.
Fotos: privat, BKA / Regina Aigner Als Favoriten für den Posten gelten Interimsch­efin Natalie Harsdorf-Borsch und Michael Sachs, Vizepräsid­ent des BVwG.

Newspapers in German

Newspapers from Austria