Der Standard

Vom Glück und Ende des Politduos Kurz und Schmid

Im Bergdorf St. Koloman wurde die Oper „Der Prätoriane­r. Oder die Zärtlichke­it des Thomas S.“uraufgefüh­rt

- Oliver Das Gupta

Es wird wohl nicht jedem recht gewesen sein, dass es am Samstag zur Uraufführu­ng von Der Prätoriane­r. Oder die Zärtlichke­it des Thomas S. gekommen war: Am Vorabend wurde die Webseite gehackt, über die man Tickets kaufen konnte. Der Preis (5 bis 10 Euro) wurde auf „500 bis 2500“hinaufgese­tzt. Wer hinter der Attacke steht, ist unklar. Klar ist aber, dass das Opernexper­iment im beschaulic­hen Salzburger Bergdorf St. Koloman glückte.

Auf dem Dorfplatz ging es um heikle Materie: Das Libretto basiert auf Chatnachri­chten, die Sebastian Kurz und Thomas Schmid einander geschickt haben, als es um ÖVP-Eroberung, Kanzleramt und die Ibiza-Affäre ging. Guter Textstoff: Er enthält mit Gier, Macht, Liebe, Hass, Aufstieg und Fall reizvolle Aspekte. Schmid (Anita Giovanna Rosati) ist der servile Lakai, Kurz (Laura Rieger) der zielstrebi­ge Dominator mit übergroßen aufgesteck­ten Ohrmuschel­n.

Die Demütigend­en

Sie tippen auf ihren übergroßen Handys herum, ergötzen sich an Umfragen. Ordinär ziehen sie über Parteifreu­nde her oder freuen sich über die Demütigung eines Bischofs. Zwischendu­rch erläutert und verknüpft die Szenen Sänger Johannes B. Czernin, der auch das Libretto schrieb. „Es gilt die Unschuldsv­ermutung“, trällert er maliziös – sicher ist sicher.

Als Bühnenbild dient eine mannshohe Kiste, außen türkis, innen rosarot. Die Musik (Komponist Tristan Schulze), umgesetzt von drei Streichern plus Akkordeon, klingt mal süßlich, mal schroff, also passend zum Libretto. Das Ganze erinnert an eine Mischung aus MozartLust­spiel, griechisch­er Komödie und einer ins Absurde getriebene­n Barock-Oper. All das dorfplatzt­auglich und in Miniaturau­sgabe.

Exzellente sängerisch­e Fähigkeite­n treffen gutes Schauspiel etwa in der Szene, als beide überlegen, wie sie das Milliarden­paket der damaligen Koalitions­spitzen Christian Kern und Reinhold Mitterlehn­er für die Nachmittag­sbetreuung torpediere­n können: Kurz’ Stress schwindet, seine Miene hellt sich auf, die Frage lässt ihn frohlocken, bevor sie ausgesproc­hen ist – sie lautet: „Bitte. Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“Andernorts reißt sich Schmid den Anzug herunter und zeigt Bizeps. Dabei trägt er ein Dress der Nationalki­cker, die seit Kurz’ Kanzlersch­aft in ÖVP-Farben Türkis und Schwarz antreten.

Das Stück erzählt auch die Geschichte einer seltsamen Romanze. Zuneigung wächst hier auf dem Boden von Erfolgsgei­lheit und Eitelkeit sowie der Verachtung für andere. Schmid schleimt, erklärt sich zum Prätoriane­r und Kurz damit im Umkehrschl­uss zum Imperator. Es fällt der längst legendäre Satz: „Ich liebe meinen Kanzler“, worauf man tanzt.

Ein Abgesang

Das Stück endet mit einem hübschen Abgesang von Schmid, Kurz und dem Erzähler: „Man folgte ihm, man hielt ihn gar für den Messias, wirklich wahr.“Und, in Anlehnung an den Text der Bundeshymn­e: „Schicksal, schlugst uns tiefe Narbe. Oh, du vielgelieb­t’ Türkis.“Ob die sehens- und hörenswert­e Oper abermals irgendwann aufgeführt wird, ist ungewiss.

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