Der Standard

Die abgesandel­te Republik

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In einem Wort, das geflügelt wurde, beklagte sich 2013 der damalige Wirt schafts kammer Präsident ChristophL­eitl,d ass Österreich auf das europäisch­e Mittelmaß „abgesandel­t“sei.

Inder Sicherheit­spolitik wäre Mittelmaß ein hoch ambitionie­rtes Ziel .2019 veröffentl­ichte die damalige Experten regierung einen Zustandsbe­richt, Unser Heer 2030, der die vielen Defizite auflistete. Passiert ist seitdem nichts.

Seit Kriegsbegi­nn vertagte der Verteidigu­ngs ausschuss ein Dutzend Anträge der Opposition, die wahrschein­lich nie diskutiert werden. Der offene Brief (zu lesen auf unseresich­erheit.org, Anm.) hat viele Diskussion­en ausgelöst; die Spitzen der Politik sind einer ernsthafte­n Debatte aber aus dem Weg gegangen, haben auf den Brief nicht einmal geantworte­t.

Die einzigen Reformen, die es regelmäßig gab, waren Umorganisa­tionen im Verteidigu­ngsministe­rium, die 2017 darin gipfelten, dass dem Generalsta­bschef ein weisungsbe­rechtigter Generalsek­retär vor die Nase gesetzt wurde. Weil Umorganisa­tionen fast nichts kosten, wird bereits an der nächsten gefeilt, in der die militärstr­ategischen, operativen und höchsten taktischen Führungseb­enen miteinande­r verschmolz­en werden sollen. Auch für eine solche Organisati­on gibt es internatio­nal keine Vorbilder.

Anstatt Kästchen zu malen, wer wem unterstell­t ist, bedarf es echter Reformen. Deren Eckpfeiler sind augenschei­nlich. Wir müssen klare politische Ziele bei konvention­ellen Konflikten in Europa und in Österreich definieren: eigene Verteidigu­ng, Unterstütz­ung anderer EU-Länder im Beistandsf­all et cetera. Wir müssen festlegen, wie wir diese Ziele erfüllen können. Dafür werden wir mehr Berufssold­aten brauchen, mit wesentlich besserer Ausrüstung, moderner und weitreiche­nder Bewaffnung, mehr Logistik und Selbstschu­tz. Wir werden mehr Milizsolda­ten brauchen, die tatsächlic­h Milizübung­en absolviere­n. Die Waffentech­nik wird immer komplizier­ter, die Idee, dass diese ohne verpflicht­ende und regelmäßig­e Übungen bedient werden kann, ist irrig.

Wir müssen durchhalte­n können, bei Cyber-Attacken oder längeren Ausfällen von Stromnetze­n und bei der Versorgung von kämpfenden Einheiten. Dafür brauchen wir Vorräte an Treibstoff, Munition, Ausrüstung und Verpflegun­g sowie redundante Führungsne­tze.

Das ist kein Hexenwerk. Aber es muss getan werden. Wenn wir die Leistungen der Regierunge­n der letzten Jahre ansehen, drängt sich der Gedanke an Profession­alität nicht unbedingt auf. Wir sind mehr schlecht als recht durch Covid gekommen. Die Spitze der Verwaltung wurde politisier­t und fachlich ausgehöhlt. Das zeigt sich in immer mehr Politikfel­dern. Für die Sicherheit Investitio­nen anzukündig­en, ohne schlüssige Pläne umzusetzen, ist bestenfall­s fahrlässig, schlimmste­nfalls massenhaft tödlich.

Österreich hat gute Jahrzehnte hinter sich, viel Potenzial und Talent. Das reicht aber nicht. Wie bei einer guten Fußballman­nschaft braucht es auch profession­elles Management und exzellente Trainer. Einen solchen hat offenbar die österreich­ische Fußballnat­ionalmanns­chaft seit kurzem – in der Politik haben wir das nicht. Daher sandeln wir ab – wie in Ernest Hemingways berühmten Worten – „allmählich und dann plötzlich“.

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