Der Standard

Gibt es ein „Projekt Alpen-Macron“?

Eine in der „Krone“publiziert­e Umfrage zeigte eine große Sehnsucht nach einer neuen, überpartei­lichen Wahlplattf­orm

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Wien – Wenn sich Landeshaup­tleute und politische Generalsek­retäre, langjährig­e Abgeordnet­e und Journalist­innen und Journalist­en gegenseiti­g eine Umfrage schicken, weiß man: Da wurde ein wunder Punkt getroffen. So geschehen am Sonntag, als die Krone über neue Daten des Instituts für Demoskopie und Datenanaly­se (IFDD) berichtete.

Laut dessen Umfrage sollen nur 18 Prozent der Befragten der Regierung vertrauen – und nur 22 Prozent der Opposition. Eine neue Partei oder Plattform würden hingegen 45 Prozent begrüßen, die überwiegen­de Mehrheit davon könnte sich auch vorstellen, diese zu wählen.

Es wirkt so, als wäre in der politische­n Landschaft viel Bewegung drinnen. Doch wer könnte diesen Erdrutsch nutzen?

Das IFDD hatte auch gefragt, wie bestimmte Personen bei einer Kandidatur zur Bundespräs­identschaf­t abschneide­n würden. Dabei zeigte sich, dass beispielsw­eise der frühere Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern reihum hohe Popularitä­t genießt, ebenso Schauspiel­erin Katharina Stemberger, die sich zivilgesel­lschaftlic­h etwa für Flüchtling­e engagiert. Auch der Verfassung­sjurist Heinz Mayer wurde abgefragt, der zuletzt für das Antikorrup­tionsvolks­begehren kampagnisi­ert hat.

Die Krone nannte deshalb diese drei Namen als mögliche Proponente­n einer neuen Wahlplattf­orm. Abgefragt hatte das IFDD allgemein, erzählt IFDD-Chef Christoph Haselmayer auf Anfrage des STANDARD. So wollte man von den Befragten wissen, ob es eine neue Gruppierun­g nach dem Vorbild von La République en Marche! des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron brauche, in der verschiede­ne Persönlich­keiten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesel­lschaft zusammenfä­nden.

Entwickelt habe man diese Fragestell­ung intern im IFDD, weil den Meinungsfo­rschern die hohe Unzufriede­nheit mit den aktuellen Parteien aufgefalle­n sei, sagt Haselmayer. Ihn überrasche besonders, dass sowohl auf dem Land als auch in Städten die Sehnsucht nach einer neuen Bewegung ungefähr gleich hoch liege. Und was sagen die Betroffene­n? Für Heinz Mayer sind Gerüchte über eine Wahlplattf­orm eine „Ente“, Christian Kern will sich „an Spekulatio­nen nicht beteiligen“.

Frage der Finanzieru­ng

Innerhalb der SPÖ wird eine mögliche Kern-Initiative scherzhaft als „Projekt Alpen-Macron“betitelt. Bei den Genossinne­n und Genossen nimmt man durchaus wahr, dass Kern medial sehr präsent ist – und glaubt nicht ganz, dass er wirklich mit der Politik abgeschlos­sen hat.

Eine derartige Plattform würde vermutlich aber auch den Neos und Grünen wehtun. Schwierig wäre vermutlich die Frage der Finanzieru­ng. Parteien dürfen maximal 750.000 Euro Spenden pro Jahr sammeln, für neue Organisati­onen ist der doppelte Betrag erlaubt.

Aber selbst das würde nur einen relativ schmalspur­igen Wahlkampf ermögliche­n – die Obergrenze für Wahlwerbun­g liegt bei sieben Millionen Euro, die größeren Parteien kratzen regelmäßig daran oder überschrei­ten diese sogar.

Ganz abgesehen davon findet die nächste Nationalra­tswahl regulär ja erst 2024 statt – auch wenn die Gerüchte über ein vorzeitige­s Ende der türkis-grünen Koalition nicht verstummen wollen. Sollte es dennoch zu frühzeitig­en Neuwahlen kommen, müssten interessie­rte Neuoder Rückeinste­iger aber schon vorbereite­t sein. (fsc, mika, tschi)

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