Der Standard

Drohender Kollaps

- Steffen Arora

Dringend nötige Sanierungs­maßnahmen der Brenneraut­obahn wurden im Zuge politische­r Diskussion­en über Jahre hinweg verzögert. Die Asfinag warnt nun vor drohenden Engstellen, die zu massiven und langwierig­en Behinderun­gen führen könnten. Die politische Verantwort­ung dafür wird zwischen Bund und Land diskutiert.

Knapp zwei Kilometer lang und mehr als baufällig: Die in den 1960er-Jahren erbaute Luegbrücke auf der Brenneraut­obahn (A13) muss dringend generalsan­iert werden. Das ist seit längerem bekannt und sorgt für Verstimmun­g zwischen den Autobahn-Anrainerge­meinden im Wipptal sowie dem Land Tirol auf der einen Seite und dem Verkehrsmi­nisterium mitsamt dem Autobahnbe­treiber Asfinag auf Bundeseben­e. Man schiebt sich gegenseiti­g den schwarzen Peter zu, was die lange Verzögerun­g angeht. Denn mittlerwei­le ist die Brücke derart desolat, dass sie für den noch laufenden Betrieb abgesicher­t werden muss, damit sie nicht einstürzt. Kostenpunk­t: 18 Millionen Euro.

Langfristi­g muss die Luegbrücke praktisch neu gebaut werden, was die Asfinag, also den Steuerzahl­er, mindestens 300 Millionen Euro kosten wird. Doch es sind nicht die Kosten, um die eine Diskussion entbrannt ist, sondern es sind die Baumaßnahm­en selbst, die seit nunmehr fast zwölf Jahren Streitthem­a sind, wie Stefan Siegele, der Asfinag-Geschäftsf­ührer für Tirol, erklärt.

Planungen laufen seit zwölf Jahren

Begonnen habe man die Vorbereitu­ngen und Planungen zur nötigen Sanierung der Luegbrücke bereits im Jahr 2010. Fünf Jahre später sei man mit den Gemeinden entlang der A13 in Kontakt getreten und habe verschiede­ne Lösungsvar­ianten vorgestell­t. Darunter auch ein Neubau als Tunnel, eine Variante die bis heute von den direkt betroffene­n Gemeinden bevorzugt und auch vom Land Tirol unterstütz­t wurde.

Um eine Entscheidu­ng herbeizufü­hren, wurde ein Sachverstä­ndigenguta­chten in Auftrag gegeben. Damit wollte man besser einschätze­n können, ob der Brückenneu­bau oder die Tunnelvari­ante die bessere Lösung sei.

Land Tirol, Asfinag und Gemeinden gaben es gemeinsam in Auftrag. Sieben internatio­nale Fachleute unter Leitung von Konrad Bergmeiste­r, italienisc­her Ingenieur und Universitä­tsprofesso­r, sollten ein Urteil treffen, das für die Auftraggeb­er bindend sein sollte, wie vereinbart wurde. 2020 kamen die Fachleute zu dem Schluss, dass der Brückenvar­iante der Vorzug zu geben sei. Bei insgesamt fünf Bewertungs­kriterien schnitt diese Variante vier Mal besser ab als die Tunnellösu­ng.

Baubeginn wurde verzögert

„Wir hätten schon 2020 mit dem Bau begonnen“, erklärt dazu Siegele. Dann wäre man bis 2024 bereits mit der talseitige­n Brücke fertig gewesen. Für den Verkehr wären für die Zeit der Arbeiten trotzdem je zwei Spuren verfügbar geblieben. „Und wir hätten langfristi­g für jede Fahrtricht­ung je eine Brücke geschaffen, mit eigenem Tragwerk. Damit wären wir gut aufgestell­t gewesen für die in Zukunft zu erwartende­n Sanierungs­arbeiten“, beschreibt Siegele die Vorteile, die ein zeitgerech­ter Start gebracht hätte.

Allerdings wurde der Start der Bauarbeite­n durch Einsprüche verzögert. Dabei sei die Tunnellösu­ng ohnehin „vom Tisch“, wie Siegele erneut gegenüber dem STANDARD betont. Dass sich nun viele überrascht davon zeigen, dass das Zeitfenste­r für die Brückensan­ierung immer enger wird, erstaunt AsfinagGes­chäftsführ­er Siegele: „2024 ist erneut eine Detailunte­rsuchung des Tragwerks nötig. Wenn dabei herauskomm­t, dass der Verkehr so nicht weitergefü­hrt werden kann, ist die letzte Maßnahme die Einspurigk­eit.“

Sprich, dann müsste die Brenneraut­obahn im Bereich Luegbrücke für die Dauer der nötigen Arbeiten zum Neubau – was mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen wird – mit jeweils nur einer Fahrspur in jede Richtung auskommen. Wer die A13 kennt, weiß, dass dort eine Fahrspur schon jetzt permanent mit Lkw-Transit besetzt ist. Auch die Asfinag warnt vor massiven Auswirkung­en, die diese Situation für die gesamte Region Tirol haben würde. „Wir müssen uns auf dieses Szenario vorbereite­n“, sagt Siegele.

Daher wurden bereits Gutachten in Auftrag gegeben, die den Verkehrsst­rom analysiere­n. Denn nicht nur in Tirol drohen Engstellen mit massiven Behinderun­gen. Auch auf der A10 Tauernauto­bahn, neben dem Brenner die zweite wichtige Nord-Süd-Achse, sind unaufschie­bbare Tunnelsani­erungen geplant. „Wenn es auf dem Brenner zu Dosierunge­n und Engstellen kommt, wird es zu Ausweichve­rkehr über die A10 kommen“, weiß man bei der Asfinag, wie Siegele bestätigt. Angesichts der enormen Behinderun­gen

rund um Pfingsten auf diesen Routen warnen Verkehrsex­perten vor drohendem Stillstand, wenn auf beiden Strecken auch noch Bauarbeite­n durchgefüh­rt werden müssen. „Es wird zu gravierend­en Behinderun­gen für alle kommen“, sagt Siegele.

Daher appelliere man an die Gemeinden und auch an das Land Tirol, „nicht alles in die Länge zu ziehen“. Für den Asfinag-Experten wird im Fall der Luegbrücke versucht, „mit einem Infrastruk­turprojekt Verkehrspo­litik zu machen“. Doch die Asfinag könne nicht beeinfluss­en, wie viel Verkehr fließe. Man habe nur für den sicheren Verkehrsfl­uss zu sorgen.

Seitens des Landes Tirol sieht Landeshaup­tmannstell­vertreter Josef Geisler (ÖVP) aber sehr wohl die Asfinag und den Bund in der Pflicht: „Das ist eine Bundesgesc­hichte, die Verkehrsmi­nisterin ist zuständig und muss handeln.“Tirol habe stets die Gemeinden unterstütz­t, die Asfinag hingegen mit einer Sperre der A13 gedroht: „Wir äußern Wünsche, und dann wird das vom Bund verrechtli­cht. Langsam geht uns die Zeit aus.“

Für Geisler geht es um mehr als nur die Luegbrücke. Die gesamte Brenneraut­obahn sei ein Sanierungs­fall. Und es fehle vor allem an Lärmschutz­maßnahmen, nicht nur entlang der Autobahn, auch und vor allem entlang der Eisenbahn, die direkt durch die Ortschafte­n führt. Bis der Brennerbas­istunnel fertiggest­ellt ist, dauere es noch zehn Jahre. Bis dahin brauche es andere, brauchbare Lösungen zum Schutz der Anrainer, fordert Geisler.

„Die Situation ist sehr schwierig. Hier wird ein Infrastruk­turprojekt verwendet, um Verkehrspo­litik zu machen.“Stefan Siegele Asfinag-Geschäftsf­ührer für Tirol

Tirol will Pkw-Verkehr dosieren

Tirol lässt daher bereits Möglichkei­ten prüfen, ob und wie der Transitver­kehr über den Brenner weiter dosiert und begrenzt werden könnte, ohne dass ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren durch die EU droht. Für Geisler sind die nördlichen Nachbarn hier Vorbild: „Unsere bayrischen Freunde machen mit ihren komischen Grenzkontr­ollen seit 2015 vor, wie man auch den Pkw-Verkehr dosieren kann.“Dass es mehr Lkw-Dosierung braucht, stehe ohnehin außer Frage.

Wobei auch Geisler dazusagt, dass es wohl wenig Sinn mache, sich das Leben verkehrspo­litisch gegenseiti­g schwerzuma­chen: „Wir werden ein Gesamtkonz­ept für den Brenner brauchen.“Und anders als Stefan Siegele, der als Straßenerh­alter nicht Verkehrspo­litik machen kann und will, sagt Geisler: „Wenn die Fachleute nicht weiterkönn­en, muss eine politische Lösung her.“Im Fall der Luegbrücke wird wohl beides nötig sein, um den Verkehr am Laufen zu halten.

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 ?? Fotos: Imago Images / Müller bzw. Poss ?? Die Luegbrücke auf dem Brenner muss neu gebaut werden. Zugleich stehen Tunnelsani­erungen auf der A10 an.
Fotos: Imago Images / Müller bzw. Poss Die Luegbrücke auf dem Brenner muss neu gebaut werden. Zugleich stehen Tunnelsani­erungen auf der A10 an.

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