Der Standard

Macron will Rundfunkge­bühr abschaffen

Frankreich­s Präsident will nach den diversen Urnengänge­n ein erstes Wahlverspr­echen einlösen: Die französisc­he Rundfunkge­bühr soll abgeschaff­t werden. Seine Wahlnieder­lage macht ihm aber einen Strich durch die Rechnung.

- Stefan Braendle aus Paris die Hände politische­r Machthaber zu geben!“Macron beteuerte auf dem Radiosende­r France-Inter, er wolle die Unabhängig­keit der – als linkslasti­g geltenden – öffentlich­rechtliche­n Programme nicht antasten. Sie erhielten neben den G

Die Rundfunkge­bühr für France Télévision­s und Radio France beträgt derzeit 138 Euro. Das sind 22 Euro mehr als vor zwanzig Jahren und bedeutend weniger als etwa in Österreich. Emmanuel Macron will diese „redevance“nun aber aufheben. Kurz vor den Präsidents­chaftswahl­en im April versprach er zur allgemeine­n Überraschu­ng, er befreie die Steuerzahl­er von dieser Sonderabga­be. In der ersten Regierungs­sitzung nach der Wahl bestätigte Sprecher Gabriel Attal, sie werde „in diesem Jahr dauerhaft abgeschaff­t“. Das neugewählt­e Parlament solle im Juli, also noch vor der Sommerpaus­e, darüber befinden.

Staatsbudg­et statt Gebühr

Was Attal nicht explizit sagte, sich aber von selbst versteht: Die wegfallend­en Gebührenei­nkünfte von gut drei Milliarden Euro sollen in Zukunft aus dem allgemeine­n Staatsbudg­et kommen. Der Plan verschlug den Betroffene­n zuerst schlicht die Sprache. In Österreich versuchte das die ÖVP-FPÖ-Regierung 2019 umzusetzen – doch das Ibiza-Video ließ die Umsetzung platzen.

In Paris diskutiert­e man den Schritt seit Jahrzehnte­n. Auch Macrons sozialisti­scher Vorgänger François Hollande wollte den öffentlich­en Rundfunk von Grund auf reformiere­n, sein Projekt schaffte es aber nie aus den Schubladen.

So besteht France Télévision­s weiterhin aus den – schlecht definierte­n – Ketten France 2, France 3, France 4, France 5, France 24 und TV5 Monde. Besser abgegrenzt ist nur Arte-France. Zu Radio France kommen Radio France Internatio­nal (RFI), das in Afrika viel gehört wird, die Lokalsende­r Radio Bleu sowie Überseesen­der. An Überschnei­dungen mangelt es nicht.

Gebührenfr­ei streamen

Von den 28 Millionen französisc­hen Haushalten zahlen nur 23 Millionen die Gebühr. Ausgenomme­n sind Sozialfäll­e sowie fernsehlos­e Menschen. Diese werden immer zahlreiche­r: Heute haben 92 Prozent zu Hause ein TV-Gerät, vor einem Jahrzehnt waren es noch 98,3 Prozent. Jüngere Menschen ziehen Computer, Tablets, Handys vor.

Sie verfolgen Filme, Serien, Sport und Dokus lieber im Streaming, also nicht mehr über französisc­he Fernsehkan­äle, sondern über das Angebot amerikanis­cher Großkonzer­ne wie Netflix, Amazon oder Disney.

Die öffentlich-rechtliche­n Fernsehsen­der in Europa überlegen sich seit langem, wie sie dieser neuen Konkurrenz begegnen können. Macron verfolgt allerdings keine medienpoli­tischen, sondern rein finanziell­e Absichten mit dem GebührenEn­de: Wie zuvor die Wohnsteuer verspricht er die daran gekoppelte Rundfunkab­gabe aufzuheben, um nach seinen Worten „die Kaufkraft der französisc­hen Haushalte zu steigern“. Der Präsident argumentie­rt, die Finanzieru­ng über das progressiv­e Steuersyst­em sei sozialer als eine Jahresgebü­hr, die für Arme wie Reiche gleich hoch sei.

Dem Vorhaben erwächst nun aber Widerstand von vielen Seiten. Die überrumpel­te Journalist­engewerksc­haft SNJ organisier­t in aller Hast einen Streik, er soll am 28. Juni stattfinde­n. Sie befürchtet vor allem „populistis­che und verheerend­e“Interventi­onen der Behörden: Sie hätten über das Staatsbudg­et mehr Einfluss als über eine fixe Jahresgebü­hr, behauptet die SNJ.

Kultur läuft Sturm

Filmemache­r und Kulturarbe­iter laufen ihrerseits Sturm gegen Macrons Vorhaben. Der Drehbuchau­tor Jacques Kirsner brachte es in einem Beitrag in Le Monde auf den Punkt: „Die Rundfunkge­bühr gewährleis­tet die Unabhängig­keit der öffentlich­rechtliche­n Unternehme­n. Sie abzuschaff­en hieße, die Finanzieru­ng in

Französisc­he BBC

Der konservati­ve Senator schlägt vor, France Télévision­s und Radio France zu einer Art französisc­her BBC zu fusioniere­n. Als Kern hätte sie eine einzige Redaktion und Newsplattf­orm aus TV- und RadioLeute­n. Nur so entstehe eine ausreichen­d starke Schlagkraf­t gegen die US-Konkurrenz, glaubt Hugonet. Unterstütz­t wird er in dieser Idee vom ehemaligen Vorsteher von Radio France, Mathieu Gallet.

Die Gewerkscha­ften sind aber vehement dagegen; sie befürchten auch, dass viele der 4500 betroffene­n Journalist­en Opfer einer Fusion würden. Damit räumen sie indessen selber ein, dass Stationen wie France 3 oder France Bleu in vielen französisc­hen Städten und Regionen überlappen­d arbeiten.

Arte-Chef Bruno Patino befürchtet seinerseit­s eine Senkung der Beiträge. Andere Macher verlangen, dass die Gebührenab­schaffung zumindest so lange ausgesetzt bleibe, bis die Frage der Streaming-Besteuerun­g geregelt ist.

Macrons Wahlnieder­lage am Sonntag könnte die Reform zusätzlich verzögern.

„Rundfunkge­bühr gewährleis­tet Unabhängig­keit der öffentlich­rechtliche­n Unternehme­n.“Jacques Kirsner, Autor

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Foto: APA / Ludovic Martin Für TV-Konfrontat­ionen wie jene zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen soll das französisc­he Publikum künftig keine Gebühr mehr zahlen. Das Geld soll aus dem Staatshaus­halt kommen.

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