Der Standard

Aus Österreich in den Ukraine-Krieg

Einzelne Personen sind ausgereist, um zu kämpfen – unklar ist, für wen

- Gabriele Scherndl, Noura Maan

Glaubt man dem russischen Verteidigu­ngsministe­rium, so sind fünf Personen aus Österreich in die Ukraine gereist, um dort im Krieg zu kämpfen. Diese Zahlen verbreitet­e die Angriffspa­rtei in den vergangene­n Tagen. Zwei davon sollen getötet worden, einer wieder abgereist sein. Dem österreich­ischen Außenminis­terium liegen allerdings keine Berichte über Tote vor. Der österreich­ische Staatsschu­tz gab allerdings daraufhin bekannt, dass eine „niedrige einstellig­e Zahl“an Personen ausgereist sein soll.

Nach STANDARD-Informatio­nen deckt sich die Zahl, die Russland angibt, aber nicht mit der hierzuland­e bekannten. Und: Unklar ist auch, auf welcher Seite die betreffend­en Personen ins Feld ziehen. Russland zählt in seiner wenig belastbare­n Rechnung wohl ausschließ­lich jene, die auf ukrainisch­er Seite kämpfen – um zu demonstrie­ren, dass der Westen sich verbündet habe, wie Terrorismu­sforscher Nicolas Stockhamme­r vermutet.

Schon im März wurden Berichte publik, dass es sich bei Ausreisend­en um Austrotsch­etschenen handeln könnte. Gerade in dieser Community ist es allerdings besonders schwierig, eine klare Position für eine der beiden Kriegspart­eien auszumache­n. Da spielt etwa, so erklärt Stockhamme­r, eine Rolle, ob ein Tschetsche­ne in Österreich für oder gegen Ramsan Kadyrow und dessen Regime ist – dieser herrscht diktatoris­ch über die russische Teilrepubl­ik Tschetsche­nien und steht auch nun im Krieg auf Putins Seite. Kadyrow habe mit seiner harten, von Exklusion geprägten Auffassung von Islam, Ehrkultur und Nationalst­olz zum Teil auch auf die tschetsche­nische Community in Österreich einen Einfluss, sagt Stockhamme­r. Junge, kampfsport­affine Männer aus der Community könnte das durchaus zur Teilnahme an Kampfhandl­ungen an Russlands Seite motivieren.

Auf der anderen Seite sind viele Tschetsche­nen in Österreich erstens vor der russischen Invasion in die Heimat und zweitens vor dem Regime Kadyrow geflohen, „es ist unwahrsche­inlich, dass da in zweiter Generation jemand sagt:‚Ich bin für Kadyrow‘“, sagt Stockhamme­r. Für die gebürtige Tschetsche­nin und Journalist­in Maynat Kurbanova ist es nicht vorstellba­r, dass Tschetsche­nen sich nun auf die Seite Russlands stellen. Sie weiß von niemandem aus der Community, der ausgereist sei – auch nicht, um sich auf die Seite der Ukraine zu stellen. „Ich höre auch von den Jugendlich­en, dass sie da nicht instrument­alisiert werden wollen“, sagt Kurbanova.

Beratungen über Sanktionen

Die EU will indes ihre Sanktionen gegen Russland offenbar ausweiten. Nach Angaben der Nachrichte­nagentur Reuters, die sich auf EU-Vertreter berief, werde daran gearbeitet, weitere Sektoren zu sichten, die sanktionie­rt werden könnten. Ein mögliches Ziel sei dabei auch Gold. Die Staats- und Regierungs­chefs beraten beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag über das weitere Vorgehen.

Litauen hat am Wochenende einen verschärft­en Weg gegenüber Russland eingeschla­gen und den Bahntransi­t von Waren, die auf westlichen Sanktionsl­isten stehen, über sein Territoriu­m nach Kaliningra­d untersagt. Moskau drohte Vilnius am Dienstag mit Gegenmaßna­hmen, „deren Folgen schwere negative Auswirkung­en auf die Bevölkerun­g Litauens haben“würden, und bestellte den EU-Botschafte­r in Moskau ins Außenminis­terium ein.

Auf schwere Folgen in der Auseinande­rsetzung mit Russland bereitet sich auch Schweden vor, als es am Dienstag für Teile des Landes die erste von drei Alarmstufe­n wegen möglicher Probleme bei der Gasversorg­ung ausrief. Auch in Deutschlan­d und Österreich gilt derzeit die Frühwarnst­ufe und damit die erste Eskalation­sstufe des Notfallpla­ns Gas.

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Foto: AP Kadyrows aggressive­r Stil wirkt bis nach Österreich.

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