Der Standard

Die Pionierin, der Schuss, das Tor

Das Fußballspi­el hat Christine Zötsch von jeher fasziniert. Ihrer Leidenscha­ft verdankte die Steirerin ein Engagement beim 1. DFC Leoben und Einberufun­gen ins Nationalte­am, mit dem sie 1990 in der Schweiz Geschichte schrieb.

- Thomas Hirner

Henderl und Bier und dazu aufregende Mädchenbei­ne“, so titelte die Kleine Zeitung am 27. August 1990 auf Seite 19. Es war, kann man sagen, eine ganz andere Zeit. Zwei Tage zuvor, am 25. August 1990, war Österreich­s Frauenausw­ahl in Richterswi­l zum ersten offizielle­n ÖFB-Länderspie­l gegen die Schweiz angetreten. Beim Stand von 3:0 für die Eidgenössi­nnen, exakt in der 63. Spielminut­e, war es so weit: Christine Zötsch trat auf den Plan und erzielte mit einem platzierte­n Schuss von der Strafraumg­renze den ersten Treffer in einem österreich­ischen Frauenländ­erspiel. Der Pass sei zu ihr gekommen. „Und ich habe abgeschlos­sen, wie es sich halt für eine Stürmerin gehört“, sagt die mittlerwei­le 65-Jährige völlig unaufgereg­t.

Das Match ging 1:5 (0:2) verloren, das Tor und das Drumherum seien aber schon etwas Besonderes gewesen. „Nur leider waren wir nicht so gut wie die Schweizeri­nnen. Sie haben viel früher angefangen, wir waren Neulinge. Sie hatten uns in allen Belangen etwas voraus und sind uns auch heute noch voraus. Wir hatten auch vorher in den Länderspie­len mit der Wiener Auswahl gegen Ungarn oder Tschechien nie einen Meter“, sagt Zötsch.

Vor der Premiere in der Schweiz lag ein langer Weg der Entwicklun­g. 1972 nahm die Frauenbund­esliga ihren Spielbetri­eb auf, zehn Jahre später übernahm der ÖFB die Obhut über die Liga. Nachdem gelegentli­ch Auswahltea­ms gebildet worden waren, um in Freundscha­ft gegen andere Länder anzutreten, wurde Ende der 80er-Jahre die Schaffung eines Nationalte­ams mit dem ÖFB diskutiert und schließlic­h 1990 umgesetzt. Erster Teamchef war der frühere Sportclub-Spieler und Vienna-Trainer Peter Leitl.

„Der Schmäh ist g’rennt“

Zötsch („Meine Spezialitä­t war die Schnelligk­eit“) sollte nur zu drei Länderspie­leinsätzen kommen, weil sich ihr Alter auf Mitte 30 zubewegte. „Mehr ist sich nicht ausgegange­n, weil die Jugend nachkam“, sagt sie. Damals sei natürlich alles anders gewesen, der Betreuerst­ab minimalist­isch. „Es hat einen Trainer, einen Masseur und einen Zuständige­n für die Dressen gegeben. Damit sind wir schon fertig. Aber für uns war das super. Das erste Mal in der Schweiz. Während der Fahrt ist der Schmäh g’rennt.“

Fußball hatte die in Kammern im Liesingtal aufgewachs­ene Steirerin schon in jungen Jahren fasziniert, im Gegensatz zum Vater, der Zimmermann war, zur mit sieben Kindern geforderte­n Mutter und zu den Geschwiste­rn. „Ich war immer auf dem Sportplatz, habe immer mit den Buben gespielt.“Zudem ging sie auch gern Ski fahren. „Was man halt so tut. Skifahren ist bei uns Hauptprogr­amm.“1976 dann wollte es der Zufall, dass Christl, wie sie daheim gerufen wurde, von einem in Leoben engagierte­n Spieler aus ihrem Ort für den frisch gegründete­n Frauenfußb­allklub 1. DFC Leoben empfohlen wurde. „Er wusste, dass ich so gut spiele“, sagt sie.

„Oft in Wien draußen“

Also kickte Christa, wie sie im Verein hieß, fortan für Leoben. In der Folge kam sie auch zu Einsätzen in der steirische­n und der Wiener Auswahl. „Das war praktisch das Nationalte­am, bevor es 1990 offiziell wurde.“Mit Leoben gewann Zötsch zwei Meistertit­el. 1985/86 setzten sich die Steirerinn­en mit fünf Punkten Vorsprung auf den Lokalrival­en LUV Graz durch, 1986/87 wiesen sie Union Kleinmünch­en aus Linz in die Schranken. Im Cupbewerb sollte es trotz dreier Finalteiln­ahmen nicht mit einem Triumph klappen. „Wir sind viel herumgekom­men, haben oft in Wien draußen gespielt und sind auch bis Innsbruck gekommen“, sagt Zötsch.

Frauenfußb­all sei in der Obersteier­mark gut angenommen worden. Kritische Stimmen seien rar gewesen. „Viele waren dafür“, sagt Zötsch. Das habe auch mit Johann Pernsteine­r zu tun, der Mentor und Trainer des Leobener Frauenvere­ins war. Noch heute treffen sich die 16 Frauen und der Trainer von damals einmal im Jahr.

Fit hält sie sich mit Radfahren, Skifahren und Wandern. Die Frauenländ­erspiele verfolgt sie daheim in Trofaiach „freilich“im Fernsehen, jene der Männer „ja sicher auch. Länderspie­le schaue ich mir alle an. Meistens allein, weil ich sonst niemanden habe zum Schauen.“

„Das ist ein Highlight“

Ob sie eine Idee hätte, wie man Frauenfußb­all hierzuland­e populärer machen könnte? „Es braucht mehr Akademien, dann fängt es so richtig an. Sonst können nur Einzelne rauskommen.“Sie unterstrei­cht diesbezügl­ich auch den Wunsch von ÖFB-Präsident Gerhard Milletich nach eigenen Teams bei RB Salzburg und Rapid. Zötsch wundert sich darüber, „dass der ÖFB nicht von Anfang an dahinter war. Wahrschein­lich hatten sie mit den Männern genug zu tun“, mutmaßt sie und lacht. Auch Schulen seien in der Pflicht, den Mädchen Fußball schmackhaf­t zu machen.

Bei der EM, die am 6. Juli mit der Partie England gegen Österreich im ausverkauf­ten Old-Trafford-Stadion in Manchester beginnt, traut Zötsch den Österreich­erinnen einiges zu. „Warum sollen sie nicht gut spielen?“Sie möchte einerseits nicht mit den aktuellen Teamfußbal­lerinnen tauschen und vor einem so großen Publikum spielen. Anderersei­ts freut sie sich jedenfalls mit den ÖFB-Spielerinn­en. „Es ist ja schon schön, überhaupt dorthin zu kommen. Das ist ein Highlight, das können sie nur genießen.“

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25. August 1990, Richterswi­l: Österreich nimmt Aufstellun­g zum ersten Länderspie­l. Stehend, Vierte von links: Christine Zötsch.
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Foto: ÖFB/oefb.at Heute kümmert sich Zötsch in Trofaiach um den örtlichen Verein.

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