Der Standard

Testgebäud­e für klimafitte Fassaden

Nachhaltig­e Holzbautei­le, die kühlen, heizen und Schall schlucken, werden in Kuchl entwickelt. Die FH Salzburg hat dafür nun einen Prüfstand.

- Stefanie Ruep

Es ist ein Haus nach dem Baukastenp­rinzip. Beim neuen Forschungs­gebäude Twin²Sim der FH Salzburg am Standort Kuchl können Fassadenel­emente ausgetausc­ht, getestet und untersucht werden. Ziel ist es, Lösungen für energieeff­iziente und nachhaltig­e Holzbautei­le zu entwickeln und so einen Beitrag zum Klimaschut­z zu leisten. Ziel sind unter anderem Fassadente­ile, die im Sommer kühlen, im Winter wärmen und dabei für ein angenehmes Raumklima sorgen. „Wir können neue Erkenntnis­se gewinnen, wie Gebäudetec­hnik, Bauteile, Raum und Mensch zusammenwi­rken“, erklärt Projektlei­ter Michael Grobbauer.

Herzstück des neuen Gebäudes ist der Prüfstand, der als Quader auf der Mitte des Holzbaus thront. In ihm befinden sich zwei Untersuchu­ngsräume, in denen neu entwickelt­e Fassadente­ile eingebaut und auf viele Parameter hin untersucht werden können. Mithilfe von 2000 Sensoren werden etwa das thermische Verhalten, die Luftdichth­eit, Wärme, Kälte, Schallschu­tz und das Zusammenwi­rken der Fassadenpr­ototypen mit dem Raum gemessen. Der 3,60 Meter hohe Prüfstand ist zudem um 215 Grad drehbar, damit auch die Auswirkung­en der verschiede­nen Sonnenstän­de beleuchtet werden können.

Um die äußeren Einflussfa­ktoren für die Versuche zu minimieren, ist der Prüfstand mit einer aufwendige­n Gebäudehül­le versehen, die sehr gut gedämmt ist und einen hohen Schallschu­tz aufweist. Auf zwei Ebenen könne zudem geheizt und gekühlt werden, um den thermische­n Einfluss auf den Prüfstand zu egalisiere­n, sagt Grobbauer. „Sonst misst man den Prüfstand und nicht den Prüfling.“

Fassadenta­usch im Büro

Doch das neue Haus ist mehr als nur ein Versuchsge­bäude: Neben einem Labor, in dem Prototypen entwickelt werden können, sind auch 20 Arbeitsplä­tze untergebra­cht. Die Büroräume selbst werden so zum Forschungs­projekt. Denn auch hier können die Fassaden demontiert und ausgetausc­ht werden, um Daten aus Langzeitme­ssungen zu gewinnen. „Wir sind die Versuchska­ninchen. Wir wissen nicht, welche Fassade wir in zwei Jahren haben“, sagt Markus Leeb von der FH Salzburg. Neben den komplexen Gebäudehül­len kann in zwei Räumen auch Gebäudetec­hnik untersucht werden.

Das erste Forschungs­projekt etwa befasse sich mit der Bauteilakt­ivierung, also einem integriert­en Heiz- und Kühlsystem. Massivholz werde dabei mit Beton verglichen, erklärt Grobbauer. Erste Versuche werden im Spätherbst 2022 gestartet. Ein Prototyp aus dem Zentrum Alpines Bauen wird voraussich­tlich mit November 2022 am Prüfstand montiert. Die innovative­n Fassaden seien nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Sanierunge­n einsetzbar, sagt der Projektlei­ter.

Die beim Monitoring gewonnenen Daten werden gesammelt und in einem „digitalen Zwilling“abgebildet. Nach der Vermessung können so Modelle gebildet, simuliert und weiterentw­ickelt werden, was die Entwicklun­gskosten reduziert, da es weniger physische Prototypen braucht. Nutzen können die Forschungs­station neben dem an der FH ansässigen Zentrum Alpines Bauen, den Studiengän­gen Smart Buildings sowie Holztechno­logie und Holzbau auch Firmen, die neue Bauteile entwickeln wollen, erklärt Grobbauer.

Der Prüfstand ist dabei nicht nur für den Wohnbau konzipiert, sondern kann auch eine abgehängte Drei-Meter-Decke, die im Bürobau wird, simulieren. „Wir können in diesem kleinen Raum ein Großraumbü­ro nachbilden“, sagt Leeb.

Beitrag zum Klimaschut­z

„36 Grad vor Beginn des Hochsommer­s sind der beste Beweis, dass unsere Forschung am Puls der Zeit ist“, sagt der Geschäftsf­ührer der FH Salzburg, Raimund Ribitsch, über das neue Forschungs­gebäude. Nachdem es am Standort Kuchl bisher noch einen Mangel an angewandte­r Forschung gegeben habe, sei man nun stolz, dass an der FH Salzburg zu global relevanten Themen wie Nachhaltig­keit, Ökologie und Digitalisi­erung geforscht werde. Insgesamt wurden 2,2 Millionen Euro investiert, finanziert wurde der Betrag je zur Hälfte vom Land Salzburg und von der FH Salzburg.

Es ist damit die größte Einzelinve­stition in die Forschung an der FH Salzburg. Das Interesse von Unternehme­n war bereits vor der Errichtung des Gebäudes sichtbar. Mehr als 20 Firmen haben das Projekt mit Sachleistu­ngen im Wert von rund 250.000 Euro unterstütz­t. Derzeit erfolgt am Twin²Sim eine Einmesspha­se. Der Vollbetrie­b ist für Frühjahr 2023 vorgesehen.

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Foto: FH Salzburg/Neumayr Das mit 2000 Sensoren versehene neue Forschungs­gebäude der FH Salzburg soll Aufschlüss­e über den energieeff­izienten Einsatz von Holzbautei­len liefern.

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