Der Standard

Biologisch­er Kunststoff aus Holzabfäll­en

Bakterien können aus Überresten der Holzverarb­eitung die nötigen Bausteine für Bioplastik herstellen. Um dieses Kunststück zu vollbringe­n, müssen die kleinen Helfer aber optimiert werden.

- Karin Grabner

Plastik ist einer der großen Problemsto­ffe unserer Zeit. Davon zeugen riesige Plastikins­eln im Meer ebenso wie beinahe allgegenwä­rtiges Mikroplast­ik: Im Kampf gegen erdölbasie­rtes Plastik wurde das EU-weite Projekt Bionanopol­ys ins Leben gerufen. Ziel des Projekts ist es, unterschie­dliche Bakterien so zu optimieren, dass sie Bioplastik oder zumindest die Bausteine dafür herstellen. Dafür werden die Bestandtei­le von Biomasse so genutzt, dass Biopolymer­e aufgebaut werden können.

Bausteine der Biopolymer­e sind unter anderem Milchsäure und Polyhydrox­ybuttersäu­re (PHB). Diese können für Kleiderbes­chichtunge­n und Lebensmitt­elverpacku­ngen verwendet, aber auch in der Pharmaoder Kosmetikbr­anche genutzt werden. Zu den Partnern des internatio­nalen Projekts zählt das Austrian Centre of Industrial Biotechnol­ogy (Acib), eine Non-Profit-Organisati­on, die im Eigentum der Universitä­ten Innsbruck und Graz, der TU Graz, der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien sowie von Joanneum Research steht. Gefördert wird das Forschungs­zentrum Acib im Rahmen des Comet-Programms unter anderem vom Klimaschut­z- und Wissenscha­ftsministe­rium. Abgewickel­t wird dieses Programm durch die Österreich­ische Forschungs­förderungs­gesellscha­ft (FFG).

Hackschnit­zel und Zucker

Federführe­nd an Bionanopol­ys beteiligt ist ein Forschungs­team rund um Harald Pichler vom Institut für Molekulare Biotechnol­ogie der TU Graz. In einem ersten Schritt muss die Biomasse, meist Holzhacksc­hnitzel und diverse Holzabfäll­e, durch Hitze, Druck und anschließe­nd enzymatisc­h aufgespalt­en werden. So erhält man am Ende der Aufarbeitu­ng und nach einem finalen Filtration­sschritt eine wässrige Lösung, die hauptsächl­ich Glukose und Xylose (Holzzucker) enthält. „Diese Zuckerlösu­ng, das sogenannte Hydrolysat, wird von uns dann an das Bakterium Cupriavidu­s necator verfüttert“, sagt TU-Graz-Projektmit­arbeiterin Petra Heidinger.

Dieser Bakteriens­tamm ist sehr vielseitig und robust. Unter optimalen Bedingunge­n kann PHB 80 bis 90 Prozent des Zellgewich­ts des Bakteriums ausmachen. Dieses PHB stellt selbst bereits Bioplastik dar, welches in der Zelle in kleinen Kügelchen, auch Granula genannt, vorliegt. Es muss anschließe­nd nur aus den Zellen isoliert werden. Reines PHB ist relativ spröde und muss zur Verbesseru­ng der Polymereig­enschaften mit weiteren Polymeren gemischt werden.

In dem aus Holzabfäll­en gewonnenen Hydrolysat sind nicht nur die benötigten Zucker, sondern auch Begleitsto­ffe enthalten, die das Bakterium schädigen können. Um es dem verwendete­n Bakteriens­tamm Cupriavidu­s necator dennoch zu ermögliche­n, das Hydrolysat als Nährstoffq­uelle zu verwenden, fanden Adaptionsv­ersuche statt.

Bakterien abhärten

Der Stoff Vanillin ist für die Mikroorgan­ismen schädlich, daher wurden die Bakterien optimiert, um ihre Vanillin-Verträglic­hkeit zu fördern. Cupriavidu­s necator wächst robust, verdoppelt sich in etwa alle vier Stunden, und durch eine stetige Erhöhung der Dosis ist Vanillin nach 100 Stunden Anpassungs­zeit kein Problem mehr für den Metabolism­us der Bakterien.

Derzeit kommt das Holzmateri­al aus Deutschlan­d und wird dann in weiterer Folge in den Niederland­en aufgespalt­et. Am Institut für Biotechnol­ogie und Bioprozess­technik der TU Graz rund um Regina Kratzer wird das Hydrolysat (Zuckerlösu­ng) hergestell­t, welches den Bakterien als Nahrung dient. Die Idee ist, die Reststoffs­tröme europaweit zu nutzen, um daraus neue Kunststoff­e herzustell­en. „Biopolymer­e können mithilfe natürlich vorkommend­er Enzymsyste­me problemlos und rückstands­frei abgebaut werden“, sagt Benjamin Krammer, Projektmit­arbeiter der TU Graz. Etwa drei Monate dauert es, bis sich typische PHB-Folien auflösen. Das Bionanopol­ys-Plastik ist für den menschlich­en Körper unverdauli­ch und unschädlic­h.

Das Bioplastik ist noch etwa fünfmal so teuer wie erdölbasie­rtes Plastik. Doch die Kosten für Rohöl schnellen nach oben, und die Nachfrage nach Biopolymer­en steigt stetig. Zu guter Letzt besteht auch die Möglichkei­t, Cupriavidu­s necator so anzuzüchte­n, dass Kohlendiox­id als einzige Kohlenstof­fquelle verwendet wird und somit unter Verbrauch von klimaschäd­lichem CO₂ wertvolles Bioplastik entsteht.

Statik zählt bei Studierend­en des Bauingenie­urwesens nicht gerade zu den Lieblingsf­ächern. „Sie gilt als schwer und ist angstbeset­zt“, sagt Marc-Patrick Pfleger (32), der an der FH-Campus Wien studierte – und dem es ähnlich ergehen sollte. Als in einem Teamprojek­t die Architektu­rgruppe dann aber eine sehr komplexe Baukonstru­ktion vorlegte, hat es plötzlich klick gemacht: „Das hat herausgefo­rdert. Zu sagen, ‚geht nicht, kann man nicht bauen‘, ging da gar nicht.“

Die neue Liebe zur Statik hat Pfleger zum Thema seiner Masterarbe­it gebracht. Darin berechnete er ein neues Verfahren für die „Brückenert­üchtigung“. „Stahlbeton­brücken können damit bis zu 30 Prozent mehr an Nutzlasten tragen und ihren Lebenszykl­us auf 100 bis 120 Jahre ausdehnen.“Das entspricht dem Nachhaltig­keitsgedan­ken und spart durch „Sanierung statt Neubau“C02 in der Betonprodu­ktion. Einsetzbar ist Pflegers Methode bei 80 Prozent der gut 100.000 Brücken, die es in Österreich gibt: Plattenbrü­cken, mit einer Spannweite von circa 25 Metern, die mit ein bis zwei Pfeilern in der Mitte gestützt werden, etwa Autobahnüb­erführunge­n. „Ertüchtigt“werden sie nun durch das Aufbetonie­ren einer zehn bis 15 Zentimeter dicken Betonschic­ht mit Stahlbeweh­rung, die „statisch aktiviert“wird.

Da aber wird es komplizier­t. Denn das Spannen, also das leichte Verbiegen von tonnenschw­erem Stahlbeton, kann im Nachhinein kaum effizient und kostengüns­tig umgesetzt werden. Was also tun? Den entscheide­nden Hinweis lieferte Pflegers Betreuer der Masterarbe­it, der Leiter des Forschungs­bereichs an der FHCampus Wien, Markus Vill. Wenn es nicht möglich sei, die Brücke für das Vorspannen in der Mitte anzuheben, so könnte man sie doch an ihren Enden absenken. Dafür brauchte man nur die Brückenlag­er ausbauen, jene bewegliche­n Zwischente­ile, auf denen Brücken in Längsricht­ung lose auf den Pfeilern liegen.

Die Frage war nur, ob sich das Bauwerk bei Temperatur­schwankung­en weiterhin zwängungsf­rei ausdehnen oder zusammenzi­ehen kann. Doch hier kamen wieder die Statik und das Rechnen ins Spiel. Alte Brücken wurden noch zu Zeiten des Rechenschi­ebers geplant. Für die genaue Berechnung ihres Temperatur­verhaltens fehlte Zeit und Geld. Pfleger holte die Berechnung­en mit EDV-Unterstütz­ung nach – und siehe da: Brückenlag­er auszubauen bringt in vielen Fällen kein nachteilig­es Bauwerksve­rhalten.

Heute arbeitet Pfleger an der FH-Campus in der Nachhaltig­keitsforsc­hung für Bauen und Gestalten mit Beton – und gibt dem Nachwuchs spielerisc­h sein Interesse für die Statik weiter. In Schulworks­hops lässt er „Paper-Bridge-Heros“praktisch erproben, ob ein dünnes Blatt Papier gerollt statisch mehr kann als viele aufeinande­rgeklebte Blätter. Studierend­e unterstütz­t er beim Konstruier­en von Wettkampfk­anus aus Beton. Ja, Beton kann auch schwimmen, wenn man Statik und hochfeste Rezepturen für besonders dünnwandig­e Konstrukti­onen beherrscht. Die nächste internatio­nale Betonkanu-Regatta findet im Juni in Brandenbur­g an der Havel statt. Mehr als 70 Teams treten an. (nort)

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Foto: Reuters/Lukas Barth Auf der Suche nach Alternativ­en für erdölbasie­rtes Plastik könnte die Zweitverwe­rtung von Biomasse wie Hackschnit­zeln und anderen Holzabfäll­en künftig eine wichtige Rolle spielen.
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Foto: MPP Marc-Patrick Pfleger hat eine Methode entwickelt, die das Leben von Brücken verlängern kann.

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