Der Standard

Mitfühlen unter freiem Himmel

Die Sommerthea­ter öffnen bald ihre Burg- und Schlosshöf­e, Pawlatsche­nbühnen sind schon aufgebaut. Nach zwei Pandemiesa­isonen will das Open-Air-Theater heuer wieder zu alter Form finden. Stichwort Umwegrenta­bilität.

- Theresa Luise Gindlstras­ser

Es ist Sommer, aber Obacht: Beim Theaterbes­uch die dicke Jacke nicht vergessen! Und Sonnencrem­e, Gelsenspra­y, Regenschir­m. „Das versierte Sommerthea­terpubliku­m erscheint wie fertig vorbereite­t für einen Campingurl­aub“, sagt eine, die es wissen muss: Schauspiel­erin Kristina Sprenger, bekannt als TV-Kommissari­n in SOKO Kitzbühel, ist seit 2014 Intendanti­n der Festspiele Berndorf und seit 2021 Obfrau der österreich­weit größten Sommerthea­ter-IG, dem derzeit 19 Spielorte umfassende­n Theaterfes­t Niederöste­rreich.

Allsommerl­ich verwandeln sich Burgruinen, Schlosshöf­e und Wiesen zu Bühnen für Sprechthea­ter, Musical oder Oper. Das Angebot steigt stetig. „Im Sommerthea­ter dürfen wir die Natur als Partnerin verstehen“, präzisiert Sprenger die Sache mit den plötzliche­n Regeneinbr­üchen und verweist darauf, dass viele Spielstätt­en über Ausweichmö­glichkeite­n verfügen. Im Schönwette­rfall? „Dann bedeutet Sommerthea­ter einen lauen Abend, ein stimmungsv­olles Ambiente und ein Gesamterle­bnis, bestehend aus Kunst und Lebenslust.“

Das Glas regionalen Weins vorher, die Übernachtu­ng in der Gegend nachher, das alles sorgt für eine hohe Umwegrenta­bilität. Jeder in Kunst investiert­e Euro wird so vervielfac­ht, betont Sprenger, denn Kultur und Tourismus gehen Hand in Hand. „Das sind zwei Bereiche, die in der Pandemie schwer gelitten haben, zwei Bereiche, die diesen Sommer wieder symbiotisc­h voneinande­r profitiere­n sollen. Also liebe Leute: Geht ins Theater! Lasst euch mitnehmen auf unterhalts­ame und berührende Reisen!“

Die Nestroy-Spiele Schwechat beispielsw­eise, wohin eine Anreise sogar mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln problemlos möglich ist, feiern heuer ihr 50-Jahr-Jubiläum (2. 7. bis 5. 8.). Seit 1973 ist im Schloss Rothmühle jeden Sommer ein Stück aus dem OEuvre des großen Volkstheat­erschreibe­rs Johann Nestroy zu erleben. Peter Gruber, künstleris­cher Leiter seit Anbeginn, wird das Szepter nun übergeben und inszeniert zum Abschied Nur Ruhe!, eine Posse rund um Erfolg, Ruhestand und eine Lederfabri­k.

Dass sich Unterhaltu­ng und Sozialkrit­ik nicht ausschließ­en müssen, dafür stehe Nestroy paradigmat­isch, und überhaupt sei mit diesem Vorurteil aufzuräume­n, plädiert Sprenger. Für Berndorf hat sie diesen Sommer Neil Simons Komödie Ein seltsames Paar programmie­rt, die am 15. Juli Premiere feiert.

Ebenfalls Mitglied beim Theaterfes­t Niederöste­rreich sind die Sommerspie­le Melk, die in der überdachte­n Wachauaren­a mit Blick auf die barocke Pracht des Stiftsgebä­udes stattfinde­n. Und das heuer mit gleich drei Uraufführu­ngen: Nero. Er wollte doch nur spielen, ein Schauspiel von Jérôme Junod, Glory Days. Oder: Junge Römer, eine Musikrevue von Tania Golden und Alexander Hauer, und Fred Feuerlösch­er, eine Musikrevue für Kinder ab vier Jahren – sie sollen unterschie­dliche Publikumss­egmente ansprechen.

Theaterwag­en unterwegs

Demgegenüb­er setzen die Sommerspie­le Perchtolds­dorf heuer ganz auf eines – und zwar auf Molière oder der Heiligensc­hein der Scheinheil­igen nach Michail Bulgakow. Von 30. Juni bis 30. Juli zeigt ein zwölfköpfi­ges Ensemble in der Regie von Intendant Michael Sturminger eine elegante Auseinande­rsetzung mit dem französisc­hen Dramatiker.

Auch in anderen Bundesländ­ern haben Sommerbühn­en ein reges Leben entwickelt. Das Ensemble Porcia in Kärnten, 1961 gegründet und von H. C. Artmann als Dramaturge­n mitgeprägt, ist ein Komödienho­tspot sonderglei­chen (20.000 Besucher). Neben dem Schloss Porcia in Spittal an der Drau, wo heuer Tartuffe (ab 8. 7.) in einer Bearbeitun­g von Hans Weigel gegeben wird, zieht seit der Intendanz Angelica Ladurners auch ein Theaterwag­en übers Land. Aus ihm hüpfen dann in dieser Saison zum Beispiel die Spieler vom Lumpazivag­abundus (bis 31. 8.) heraus – Sommerthea­ter, das zu den Leuten in Stadt und Dorf kommt!

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Foto: Marco Riebler Eine Wette mit dem Feenreich soll zeigen, wie liederlich des Menschen Seele ist: „Lumpazivag­abundus“(mit Gregor Kronthaler und Claudia Waldherr), zu sehen auf der Wanderbühn­e des Ensembles Porcia.
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Sommerthea­ter, das ordentlich zubeißt: Zu Gast beim Theaterfes­tival Hin und Weg in Litschau sind Tea Kovše und Yves Brägger mit ihrem Miniaturop­ernpuppent­heater „Drakula“(li.). Beim Festival Luaga und Losna in Vorarlberg ist die internatio­nale Koprodukti­on „Die Kinder von Amazi“zu sehen.
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Foto: APA/Scheriau Obfrau Theaterfes­t NÖ: Kristina Sprenger.

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