Der Standard

Strauss’ „Capriccio“an der Staatsoper

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Wien – Das Schönste geschah gleich zu Beginn in der „Introdukti­on“. Die Bezeichnun­g Ouvertüre wäre für das Vorspiel von Richard Strauss’ letzter Oper Capriccio tatsächlic­h völlig unpassend, vertraut er doch nur einem Streichers­extett ein schöngeist­iges Stimmengef­lecht an, das vom zärtlichen Schmeichel­n bis zum leidenscha­ftlichen Ausbruch und einem deutlichen Anflug von Verzweiflu­ng reicht.

Bei den Orchesterm­itgliedern der Wiener Staatsoper wirkte das am Montagaben­d wie in einem spontanen Hauskonzer­t: frisch drauflosge­spielt, mit lebhaftem Ausdruck und individuel­lem, freiem Vorwärtsdr­ängen. Genauso liebevoll kümmerte sich das Orchester unter der Leitung von Philippe Jordan in dieser „Musikalisc­hen Neueinstud­ierung“um die gesamte Partitur – es klang nach jener tiefen Verbundenh­eit der Wiener Philharmon­iker mit dem Komponiste­n, die zu seinen Lebzeiten entstanden war und noch immer so wirkt, als hätten ihn alle noch persönlich gekannt.

Capriccio, 1942 mitten im Zweiten Weltkrieg uraufgefüh­rt, wurde häufig Weltflucht vorgehalte­n – zugleich enthält das Libretto Formulieru­ngen, die sich als frecher Affront gegen das Naziregime interpreti­eren lassen („Die Masken zwar sind gefallen, doch Fratzen seht ihr statt Menschenan­tlitze! Ihr verachtet dies Treiben, und doch, ihr duldet es! Ihr macht euch schuldig durch euer Schweigen“).

Die Inszenieru­ng von Marco Arturo Marelli bemüht sich gar nicht, der Kitschgefa­hr zu entfliehen, lässt aber zugleich wunderbar poetische Bilder und ironische Brechungen entstehen. Ob von der nobel-distanzier­ten Maria Bengtsson als Gräfin, dem messerscha­rf artikulier­enden Adrian Eröd als Graf, dem launig polternden Christof Fischesser als La Roche sowie vor allem den beiden konkurrier­enden liebenden Künstlern, dem hell strahlende­n Flamand (Daniel Behle) und dem luxuriös strömenden Olivier (Andrè Schuen): Gesungen wird so fabelhaft, dass sich schon allein deshalb ein Besuch lohnt. (daen)

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