Der Standard

Zehn Jahre Neos: Was sie jetzt tun müssten

- Hans.rauscher@derStandar­d.at

Die Neos sind zehn Jahre alt. Diese Woche gibt’s eine Party und ein neues Design. Wie steht’s mit der Substanz? Vordergrün­dig nicht schlecht. Die Neos sind ein fixer Bestandtei­l der österreich­ischen politische­n Szene geworden, sie repräsenti­eren das liberale Bürgertum. Gewählt wurden sie zuletzt (NR-Wahl 2019) von 8,1 Prozent, in den Umfragen liegen sie derzeit meist darüber (zehn bis elf Prozent). Ihre Wähler kommen meist von der ÖVP, denen die Kurz/Nehammer-ÖVP zu illiberal war/ist, und vom bürgerlich­en Flügel der Grünen.

Sie haben eine nicht unbeachtli­che Nische im österreich­ischen Spektrum gefunden: marktwirts­chaftlich orientiert, gegen den Kammerstaa­t, gesellscha­ftspolitis­ch liberal, scharf gegen Korruption, für mehr Bürgermitb­estimmung, für mehr Transparen­z und politische Sauberkeit. Die Aufklärung­sarbeit der Neos in den Korruption­s-U-Ausschüsse­n kann sich sehen lassen. Mit Beate MeinlReisi­nger haben sie eine attraktive, eloquente Spitzenkan­didatin. In Wien und Salzburg sitzen sie in der Landesregi­erung, im Bund streben sie eine Regierungs­beteiligun­g an.

Fazit: Mit den Neos hat Österreich eine etablierte liberale Partei, wie sie anderswo üblich ist, hierzuland­e aber lange nicht möglich war, wenn man vom letztlich gescheiter­ten Liberalen Forum von Heide Schmidt absieht (das in die Neos integriert wurde).

Immerhin eine Leistung in einem strukturel­l konservati­ven Land mit einer ÖVP, die ihren liberalen Flügel nahezu vollständi­g abgestoßen hat, und der FPÖ, einer der größten rechtspopu­listischen bis rechtsextr­emen Parteien Europas. Die Frage ist jetzt: Gelingt den Neos der angestrebt­e Übergang zu politische­r Gestaltung? Das liegt zunächst an zwei anderen Parteien: den Grünen, die sich aus ihrer Koalition mit der ÖVP lösen müssten, und der SPÖ, die sich für eine Ampel aus Rot-Grün-Pink (Neos) entscheide­n müsste. Das erscheint vielen als die logische Alternativ­e zur derzeitige­n Regierung, aber es ist nicht ganz sicher, ob das auch alle in der SPÖ wirklich wollen.

Dreierkoal­itionen sind per se mühsam, und der Gewerkscha­ftsflügel sowie manche Kräfte in der Wiener SPÖ würden lieber mit einer verkleiner­ten und bescheiden­er gewordenen ÖVP koalieren. Da kann man sich leichter sozialpart­nerschaftl­ich was ausmachen. In Zeiten der Instabilit­ät könnte man eine solche „geläuterte“große Koalition vielleicht wieder besser verkaufen.

Was können die Neos tun, um nicht übergangen zu werden? Von der internatio­nalen Situation her ist Wirtschaft­skompetenz gefragt. „Putin führt einen Wirtschaft­skrieg gegen Europa“, sagte kürzlich ein deutscher Politiker. Das Management der Gaskrise durch die schwarz-grüne Koalition zeigt große Schwächen.

Sowohl die ÖVP wie auch die SPÖ sind durch zu große Putin-Verstehere­i und schwerste Fehlentsch­eidungen beim Zustandeko­mmen der Abhängigke­it vom russischen Gas diskrediti­ert. Das Wirtschaft­sministeri­um wurde unter Türkis zu einem Witz-Ressort. Hier müssten die Neos Kompetenz zeigen. Den früheren marktwirts­chaftliche­n Purismus (Wasser privatisie­ren) haben sie abgelegt. Die beiden anderen Themen der Neos – Bildungsre­form und Antikorrup­tion – bleiben wichtig. Im Augenblick ist aber wirtschaft­spolitisch­e Kompetenz gefragt. Hier müsste die liberale Partei ansetzen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria