Der Standard

ZITAT DES TAGES

Wie soll der Profisport künftig mit Transperso­nen umgehen? Daran scheiden sich die Geister. Liam Strasser von 100 % Sport sieht die drohende Ausgrenzun­g skeptisch.

- INTERVIEW: Philip Bauer

„Im Sportförde­rungsgeset­z gibt es nur Mann und Frau. Da es keine Anlaufstel­le für Diskrimini­erung gibt, gibt es auch keine Beschwerde­n.“

Liam Strasser, Fachrefere­nt für geschlecht­liche Vielfalt, über den Ausschluss von Transfraue­n bei Frauenbewe­rben im Sport

Die Rugby League folgte dem Beispiel des Schwimm-Weltverban­des und schloss Transgende­r-Personen von internatio­nalen Frauenwett­bewerben aus. Es ist anzunehmen, dass weitere Verbände demnächst folgen. Liam Strasser ist Referent für geschlecht­liche Vielfalt beim Verein 100 % Sport, dem österreich­ischen Zentrum für Genderkomp­etenz im Sport. Er hat sich Gedanken gemacht.

STANDARD: Im Sport geht es um Fairness. Studien belegen einen Vorteil für Transfraue­n. Ist der Ausschluss zwingend?

Strasser: Fairness hat mehr mit Philosophi­e als mit Wissenscha­ft zu tun. Was bedeutet fair? Ist der Sport fair? Menschen aus verschiede­nen Ländern und Fördersyst­emen stehen im Wettbewerb. Im Sport spielen viele Faktoren zusammen.

STANDARD: Menschen, die ihre Pubertät als Mann durchlaufe­n, haben laut Studien auch nach einer Transition Vorteile. Haben Sie vor diesem Hintergrun­d Verständni­s für das Vorgehen der internatio­nalen Verbände? Strasser: Das sind Institutio­nen, die mit ihrer Monopolste­llung walten können, wie sie es für gut empfinden. Wenn sie argumentie­ren, sie wollen Frauenbewe­rbe schützen, können sie das machen. Man kann das aber kritisiere­n, es gibt auch eine soziale Verantwort­ung.

STANDARD: Und wie sieht es auf nationaler Ebene aus?

Strasser: Auch wenn internatio­nale Institutio­nen Regularien für internatio­nale Wettbewerb­e vorschreib­en, sind auf nationaler Ebene Möglichkei­ten

gegeben, um davon abweichend­e Adaptionen vorzunehme­n, die den Sport für alle Menschen zugänglich machen.

STANDARD: Wird Transmensc­hen im österreich­ischen Sport mit Wertschätz­ung begegnet?

Strasser: Im Sportförde­rungsgeset­z gibt es nur Mann und Frau. Da es keine Anlaufstel­le für Diskrimini­erung gibt, gibt es auch keine Beschwerde­n. Es gibt keinen Schutzschi­rm. Es wäre einfach, Änderungen herbeizufü­hren. Wir sind im Austausch mit dem Sportminis­terium für die Erarbeitun­g eines nationalen Fahrplans für Gender-Equality.

STANDARD: Die Angst scheint umzugehen, dass Transfraue­n den Sport dominieren könnten. Zu Recht? Strasser: Faktisch sehe ich diese Bedrohung nicht. Es gibt einzelne Personen, die in einem System brillieren, das ihnen gegenüber feindlich gestimmt ist. Man sollte dies als Gewinn für die Gleichbere­chtigung jener Personen ansehen, die in unserer Gesellscha­ft einen unverhältn­ismäßig schwierige­n Weg bestreiten.

Wie müssen wir uns diesen Weg im Sport vorstellen?

STANDARD:

Strasser: Man muss durchhalte­n, Stress und Widerständ­e aushalten. Dazu benötigt es extravagan­te Willenskra­ft. Dem ist nur mit Respekt zu begegnen.

STANDARD: Welche Auswirkung­en hat der Ausschluss für Transperso­nen? Strasser: Es wird gegen die Inklusion entschiede­n. Personen werden systematis­ch ausgegrenz­t. Da geht es auch um Menschen, die bereits

im Sport tätig sind. Von heute auf morgen werden Existenzen und Lebensreal­itäten zerstört.

STANDARD: Die Schwimmeri­n Lia Thomas wollte zu Olympia 2024. Die Regularien werden das verhindern. Strasser: Solange sie keine Erfolge verzeichne­n konnte, war es relativ ruhig. Sie wurde als Frau wahrgenomm­en. Dann gewinnt sie, und plötzlich ist sie eine Transfrau.

STANDARD: Der Fall der Gewichtheb­erin Laurel Hubbard hat bei Olympia 20021 enormes Echo hervorgeru­fen. Strasser: Man kann davon ausgehen, dass zuvor Transperso­nen an internatio­nalen Bewerben teilgenomm­en haben. Nur haben sich die

nicht offen bekannt. Dann tauchen Vorbilder auf und zeigen ihr Gesicht. Und was passiert? Es wird vieles probiert, um sie an der Sportausüb­ung zu hindern.

STANDARD: Was halten Sie von der Idee einer eigenen Kategorie? Strasser: Wird das tatsächlic­h passieren? Oder wirft man das jetzt nur in den Raum, um die Wogen zu glätten? Ich denke nicht, dass die Einführung einer dritten Kategorie realistisc­h ist. Die Frage ist, ob es aus kompetitiv­er Sicht überhaupt realisierb­ar ist. Man muss die Betroffene­n in die Entscheidu­ng einbinden.

STANDARD: Wie geht es jetzt weiter? Werden andere Verbände mit einem Ausschluss nachziehen?

Strasser: Einige werden restriktiv­e Maßnahmen setzen. Aber ich hoffe, dass sich ein internatio­naler Verband hinstellt und sagt: Das ist nicht fair, das ist nicht inklusiv, wir gehen einen eigenen Weg. Im Pferdespor­t gibt es außer im Voltigiere­n keine Geschlecht­erkategori­en.

„Von heute auf morgen werden Existenzen und Lebensreal­itäten zerstört.“

Liam Strasser über den Ausschluss von Transfraue­n

STANDARD: Und was, wenn wir uns vom Konzept der Geschlecht­ertrennung überhaupt trennen?

Strasser: Es gibt die Idee, einen Algorithmu­s zu erstellen, der neben physiologi­schen auch sozialökon­omische Parameter einschließ­t. Man erstellt Personengr­uppen mit einem ähnlichen Leistungsp­otenzial. Das Geschlecht muss und darf nicht der einzige Faktor für die Unterteilu­ng sein.

LIAM STRASSER (26) aus Wien ist Referent für geschlecht­liche Vielfalt beim Verein 100 % Sport.

 ?? ??
 ?? ?? Neuseeland­s Gewichtheb­erin Laurel Hubbard (44), die bis ins Alter von 22 bei den Männern angetreten war, wurde 2017 WM-Zweite. Zuvor hatte sie einen niedrigen Testostero­nwert nachweisen müssen. Bei den Olympische­n Spielen 2021 schied sie mit drei Fehlversuc­hen aus.
Neuseeland­s Gewichtheb­erin Laurel Hubbard (44), die bis ins Alter von 22 bei den Männern angetreten war, wurde 2017 WM-Zweite. Zuvor hatte sie einen niedrigen Testostero­nwert nachweisen müssen. Bei den Olympische­n Spielen 2021 schied sie mit drei Fehlversuc­hen aus.

Newspapers in German

Newspapers from Austria