Wenn die Gesundheit auslässt
Rücktritte aus körperlichen oder psychischen Gesundheitsgründen waren in der heimischen Spitzenpolitik lange Zeit ein Tabu. Geheim gehalten wurde etwa das Nierenleiden von Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ), das ihn Anfang der 1980er-Jahre regelmäßig zur Dialyse zwang. Außenminister Alois Mock (ÖVP) versuchte seinen Parkinson, der 1995 diagnostiziert wurde, zu überspielen.
Erst in den letzten Jahren hat sich das geändert: Michael Krüger (FPÖ), im Februar 2000 25 Tage lang Justizminister, legte das Amt wegen eines Überlastungssyndroms zurück, kehrte aber kurz danach als Abgeordneter in die Politik zurück.
Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) ging 2011 nach einem Lungeninfarkt. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (beide SPÖ) machten ihre Krebserkrankungen öffentlich, gaben ihre Ämter aber nicht auf. Bundespräsident Thomas Klestil blieb ebenso trotz einer Lungenembolie 1996. Nachdem er zwei Herzinfarkte erlitten hatte, starb er 2004 zwei Tage vor Ende seiner zweiten Amtszeit.
Zunehmend scheinen Personen aus der Spitzenpolitik auch offen über psychische Belastungen zu sprechen – und sie als Rücktrittsgrund anzugeben.
Etwa Eva Glawischnig (Grüne): Als sie 2017 als Parteichefin zurücktrat, sagte sie, als Mutter müsse sie auch auf ihre Gesundheit achten, das sei nicht mit einem so zeitintensiven Job vereinbar. Auch der allergische Schock wenige Wochen davor sei ein Warnsignal gewesen.
Aktuell bekanntestes Beispiel ist wohl der ehemalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), der im April 2021 bei seinem Rücktritt sagte, er sei „überarbeitet und ausgepowert“und wolle sich „nicht kaputtmachen“. Als Folgen seiner Überlastung nannte er Kreislaufprobleme, Probleme mit dem Blutzucker und beginnenden Tinnitus. Schon zuvor, 2012, nahm er sich nach einer Burnout-Diagnose eine Auszeit.
Sein Nachfolger Wolfgang Mückstein (Grüne) sagte in seiner Rücktrittsrede, er können schlicht nicht mehr 100 Prozent geben. Das Amt an sich – und Drohungen gegen seine Familie – sei belastend gewesen. (red, APA)