Der Standard

Russland verschärft seine Drohungen gegen Litauen

Baltenrepu­blik lässt sanktionie­rte Güter nicht mehr zu Russlands Ostsee-Exklave Kaliningra­d durch

- Florian Niederndor­fer

Nikolaj Patruschew, Chef des mächtigen russischen Sicherheit­srats und selbst innerhalb des Kreml als notorische­r Hardliner bekannt, stieß am Dienstag eine düstere Drohung in Richtung des EU- und Nato-Landes Litauen aus: Sollte die kleine Baltenrepu­blik nicht schleunigs­t aufhören, den Bahntransi­t zwischen Russland und seiner Ostsee-Exklave Kaliningra­d zu „blockieren“, werde die litauische Bevölkerun­g den Zorn Moskaus ob der „feindliche­n Handlungen“zu spüren bekommen. Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenminis­teriums, legte am Mittwoch noch ein Schäuflein nach: Die Antwort Moskaus werde nicht nur „diplomatis­ch“ausfallen, sondern durchaus „praktisch“.

Stein des Anstoßes: Die litauische Regierung verbietet unter Verweis auf EU-Sanktionen seit Samstag den Transitver­kehr von Gütern wie Baumateria­lien, Metallen und Kohle von und nach Kaliningra­d, das zwar über die Ostsee von Russland aus erreichbar ist, ansonsten aber durch Litauen und Lettland vom Mutterland abgeschnit­ten ist.

Die Auswirkung­en der EU-Sanktionen sind hier auch ob der prekären geografisc­hen und ökonomisch­en Lage drastische­r als anderswo: 1000 Kilometer trennen das frühere Königsberg von Moskau, gerade einmal 300 sind es in die polnische Hauptstadt Warschau.

Russischen Angaben zufolge betrifft die litauische Blockade knapp die Hälfte des Güterverke­hrs zwischen Kaliningra­d und Russland. Zwar hat die russische Armee mehrere Stützpunkt­e in Kaliningra­d, etwa die Basis ihrer Ostseeflot­te in Baltijsk und mehrere IskanderRa­ketenstati­onen, ansonsten liegt das Gebiet, das etwa 950.000 Einwohner auf einer Fläche ähnlich wie jener der Steiermark zählt, wirtschaft­lich aber seit Jahren darnieder.

Litauen sieht sich im Recht

Von der von Moskau beklagten Blockade will Litauens Regierungs­chefin Ingrida Simonyte freilich nichts wissen. Man setze lediglich EU-Recht um, russische Bürgerinne­n und Bürger sowie nicht sanktionie­rte Güter dürften ohnehin nach wie vor Litauen passieren, um von Kaliningra­d nach Russland zu gelangen. „Es gibt keine Blockade von Kaliningra­d“, erklärte Simonyte.

Außenminis­ter Gabrielius Landsbergi­s ortet hinter Moskaus Strategie, sich als Opfer darzustell­en, das sich wehren muss, nichts anderes als psychologi­sche Kriegsführ­ung: „Russlands Narrativ ist Teil seines Krieges gegen den Westen.“

An der Heimatfron­t fällt dies freilich durchaus auf fruchtbare­n Boden. Während der Gouverneur von Kaliningra­d, Anton Alichanow, laut über eine Retourkuts­che nachdenkt, machen Hardliner in Talkshows im russischen Fernsehen ihrem Furor weit martialisc­her Luft: Dort wird die Schaffung eines Korridors zwischen Kaliningra­d und Russland gefordert – was nichts anderes als einen Angriff auf Nato-Territoriu­m in Litauen oder Lettland bedeutet. In Vilnius rechnet man aktuell nicht mit militärisc­her Rache Moskaus, wohl aber damit, dass Litauen aus dem gemeinsame­n Stromnetz ausgeschlo­ssen wird.

Die EU, namentlich Außenbeauf­tragter Josep Borrell, erklärte, Litauen handle keineswegs aus eigenem Antrieb, sondern stelle sicher, dass europäisch­es Recht zur Geltung komme. Brüssel werde die entspreche­nden Punkte aber noch einmal überprüfen, sagte der Spanier mit Fingerzeig nach Moskau.

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