Matin Qaim, Uni Bonn
„In grüner Gentechnik liegen riesige Potenziale“
Ein stures Beharren auf null Dünger, null Gentechnik und null Pflanzenschutz lasse sich wissenschaftlich nicht begründen, sagt Matin Qaim, Agrarökonom an der Universität Bonn. Die Landwirtschaft müsse aus Fehlern lernen. Der Pestizideinsatz etwa gehöre reduziert – falsch sei es jedoch, Technologien nicht weiterzuentwickeln oder sich ihnen zu versperren. Qaim sieht in grüner Gentechnik, die neue Pflanzenzüchtungen ermöglicht, riesige Potenziale liegen.
Europa erweise nicht nur sich einen Bärendienst, wenn es diese nicht nutze, sondern verbaue damit auch anderen Ländern ihre Exportchancen. Die breite Ablehnung der Bevölkerung von Gentechnik basiert seiner Ansicht nach auf Vorurteilen und Missverständnissen durch die Streuung von Halbwahrheiten. „Nach 25 Jahren Forschung lassen sich viele Ängste ausräumen.“
Qaim warnt davor, im Namen der Ernährungssicherheit Umwelt- und Klimaziele über Bord zu werfen. Brachflächen etwa dürften nicht zulasten der Biodiversität reaktiviert werden. Was sich Europa aber nicht leisten könne, seien sinkende Erträge. Damit riskiere man Hungersnöte in Entwicklungsländern und die Abholzung von Regenwäldern. Europa profitiere von idealem Klima und guten Böden. „Wir müssen auf knapper Fläche mit weniger Chemie produktiv wirtschaften.“
Mehr Fläche, geringere Erträge
Ökolandbau benötige mehr Fläche, senke die Erträge im Schnitt um 30 Prozent, in Westeuropa um bis zu 50 Prozent, und erfordere mehr Importe. Der Arbeitsaufwand sei höher, der Preis ebenso. Was nicht bedeute, dass Bio weniger wirtschaftlich sei. Fakt sei aber, dass es dafür in weiten Teilen der Welt keinen Markt gebe. Bis auf eine kleine Oberschicht seien in Afrika nur wenige Menschen in der Lage, für zertifizierte Öko-Produkte mehr zu bezahlen.
Für Qaim liegt ein starker Hebel für sichere Versorgung mit Agrargütern in geringerer Fleischproduktion. Europa müsse Viehbestände reduzieren und betroffene Landwirte dafür entschädigen. Um den Fleischkonsum zu drosseln, brauche es nicht nur Appelle, sondern gezielte Steuern. Warum etwa würden Obst und Gemüse nicht subventioniert? Wieso ließen sich über höhere Steuern auf Fleisch nicht soziale Härtefälle abfedern? „Ich wünsche mir dafür mehr politischen Mut.“