Der Standard

Kohle kann in Österreich nur Minibeitra­g zur Stromverso­rgung leisten

Breite Unterstütz­ung für Ausbau Erneuerbar­er laut Umfrage – Preise könnten gedämpft, Abhängigke­it von Gas vermindert werden

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Wien – Der Traum von Gas als Brückentec­hnologie scheint mit dem russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine und den Lieferkürz­ungen endgültig ausgeträum­t. VerbundChe­f Michael Strugl sagte am Mittwoch als Präsident von Österreich­s Energie, die Alternativ­en zu Gas seien „nicht sehr angenehm“.

Kurzfristi­g sei der Einsatz von Kohle denkbar, auch wenn diese zumindest in Österreich keine Renaissanc­e erleben werde. Verbund, dem das im Vorjahr stillgeleg­te Fernheizkr­aftwerk Mellach bei Graz gehört, ist wie berichtet von der Regierung angewiesen worden, das Kraftwerk „für den Notfall“zu reaktivier­en. Es hat bis Frühjahr 2020 Strom und Wärme für Haushalte in Graz produziert. Nach dem Ende des Vertrags zur Lieferung von Wärme ist das Kraftwerk von Kohle auf Gasbetrieb umgestellt worden, um wenige Monate später stillgeleg­t zu werden. Nun wird unter Hochdruck evaluiert, wie rasch eine Umrüstung samt Zukauf der Kohle gelingen kann. Und – es müssen auch noch qualifizie­rte Mitarbeite­r gefunden werden, die die Technologi­e beherrsche­n.

Deutschlan­d, das ebenfalls auf Gas als Brennstoff gesetzt hat, bis genügend Erneuerbar­e zur Verfügung stehen, setzt aufgrund der veränderte­n Rahmenbedi­ngungen viel massiver auf Kohle. Die Kohleverst­romung mache dort „einen großen Block in der Grundlast und gesicherte­n Leistung aus“, sagte Strugl. Alle zuletzt vom Netz genommenen Meiler sollen nach Vorstellun­g des grünen Wirtschaft­sministers Robert Habeck in Reserve gehalten bzw. reaktivier­t werden – für alle Fälle.

Rascherer Ausbau verlangt

In Österreich ist mit Kohle kaum etwas zu gewinnen. Viele Blöcke sind viel zu lange schon vom Netz – und aus Klimasicht wäre ein Dauerbetri­eb ohnehin kaum argumentie­rbar – außer jetzt angesichts der außergewöh­nlichen Situation.

An Leistung bringt das fragliche Kraftwerk auch nicht sehr viel. Strugl: „Das hat eine Leistung von 240 Megawatt, die Gasturbine daneben hat eine Leistung von 840 MW. Das sagt schon einiges.“

15 bis 18 Prozent der österreich­ischen Stromprodu­ktion erfolgen im Jahresschn­itt auf Basis von Gas. Im Winter, wenn weniger Wasserkraf­t zur Verfügung steht, Wind und Sonne schwächeln und der Strombedar­f insgesamt höher ist, sind es an die 30 Prozent; im Sommer sinkt die Stromerzeu­gung mittels Gas laut Strugl auf fünf bis sechs Prozent.

Was die Erreichung des Ziels, 100 Prozent des Strombedar­fs bis 2030 bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbar­en Energien zu stemmen, betrifft, ist Strugl zuversicht­lich. Das sei machbar, sofern es mit der versproche­nen Reduzierun­g der Genehmigun­gszeiten klappe und auch genügend Flächen für den Bau neuer Windparks und Solaranlag­en bereitgest­ellt würden. Einer Umfrage zufolge, die das Gallup-Institut unter 1000 repräsenta­tiv ausgewählt­en Österreich­erinnen und Österreich­ern durchgefüh­rt hat, ist die Zustimmung sowohl zum Ausbau erneuerbar­er Energien als auch der notwenigen Netze gegenüber 2021 gestiegen. Jeder zweiten befragten Person geht der Ausbau zu langsam.

Die von Mitgliedsu­nternehmen von Österreich­s Energie eingemelde­ten Projekte kommen zusammen auf eine installier­te Leistung von 11.400 MW. Das sei „mehr als die Hälfte an installier­ter Leistung, die wir brauchen, um die Ziele zu erreichen,“sagte Strugl. Mehr Erneuerbar­e würden sich außerdem preisdämpf­end auswirken.

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