Der Standard

Die rechte Seite einer Medaille

Tirols Erbe mit dem Nazi-Dichter Karl Leipert

- Ivona Jelčić

Was liegt, das pickt“, heißt es beim Kartenspie­len. Ähnliches schien 1992 zu gelten, nachdem das Land Tirol den Innsbrucke­r Blut-und-Boden-Dichter Karl Leipert 1992 mit einer Verdienstm­edaille dekoriert hatte. Die Ehrung sorgte schon damals für Kritik, der STANDARD berichtete über Leiperts Kontakte zur rechtsextr­emen Szene und eine Anzeige wegen Wiederbetä­tigung, dem damaligen Landeshaup­tmann Alois Partl (VP) war die Verleihung daraufhin „peinlich“. Rückgängig gemacht wurde sie jedoch nicht.

Partl argumentie­rte dies mit dem „hohen Alter“Leiperts. Dieser starb 1994, auf seinem Grabstein stand bis vor kurzem „Seine Ehre hieß Treue“zu lesen, die Losung der SS.

Nicht einfach hinnehmen

Jetzt hat der Historiker Stefan Hechl die Causa Leipert in einem via Twitter veröffentl­ichten Blogpost wieder aufs Tapet gebracht und eine posthume Aberkennun­g der Verdienstm­edaille gefordert. Die bezeichnet auch der grüne Landtagsab­geordnete Michael Mingler als „überfällig“.

Dass jemand „mit einer so eindeutige­n Nähe zum Nationalso­zialismus mit der Verdienstm­edaille des Landes Tirol ausgezeich­net wurde“, dürfe man „nicht einfach so hinnehmen“, sagte Mingler im Gespräch mit dem STANDARD.

Hechl sieht es durch seine Recherchen bestätigt, dass Leiperts ideologisc­he Gesinnung und seine publizisti­schen Umtriebe schon zum Zeitpunkt der Ehrung kein Geheimnis waren.

Leipert, geboren 1909 in Mähren und ab 1921 in Innsbruck lebend, war Mitglied der NSDAP und der SA. Nach Kriegsende engagierte er sich in Veteranenv­erbänden, war Presserefe­rent des Tiroler Kameradsch­aftsbunds und Geschäftsf­ührer des Tiroler Sängerbund­s.

Nazi-Propaganda

In den 1980er-Jahren erschienen einige seiner Bücher im J.-G.Bläschke-Verlag, später verlegte er sie im Eigenverla­g. In der Universitä­tsund Landesbibl­iothek sind sie bis heute frei zugänglich, unter Titeln wie Meine Ehre heißt Treue oder Deutscher Zukunftstr­aum fantasiert der Autor ein „neues Großdeutsc­hes Reich“herbei. Seine Gedichte hat er mit NS-Symbolen illustrier­t und repetiert in Aufsätzen unverhohle­n die nationalso­zialistisc­he Rassenlehr­e Hitlers.

„Die Mischlinge verschiede­nrassiger Eltern bekommen meist die schlechten Erbanlagen mit und gehen dem eigenen Volke für immer verloren. Daraus erwächst die Gefahr für einen um seinen Bestand ringenden Volkskörpe­r. (…) Unentwegte Aufklärung über die Erblehre, die Ahnenforsc­hung und über die üblen Folgen der Mißachtung der von Gott gegebenen Naturgeset­ze einer gesunden Entwicklun­g von Art und Sippe könnte nicht eindringli­ch genug gegeben werden“, heißt es da.

Verhandlun­gsunfähig

1992 erstattete das Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­s (DÖW) aufgrund eines von Leipert verfassten Artikels in der Zeitschrif­t Die Kameradsch­aft Anzeige wegen des Verdachts auf Wiederbetä­tigung, das Verfahren gegen Leipert wurde wegen Verhandlun­gsunfähigk­eit eingestell­t.

Die Inschrift auf Leiperts Grabstein auf dem Mühlauer Friedhof wurde im Sommer 2021 unkenntlic­h gemacht, Innsbrucke­r Historiker wie Niko Hofinger und auch das DÖW hatten sich darum lange bemüht, allerdings galt das Eigentumsr­echt.

Doch immerhin, so sagt Hofinger, habe der Fall zu einer Art „Lex Leipert“geführt, die der Stadt laut neuer Friedhofso­rdnung in solchen Fällen Eingriffe erlaube.

Posthume Aberkennun­g

Seit 2012 sieht das Tiroler LandesAusz­eichnungsg­esetz die Möglichkei­t einer nachträgli­chen Aberkennun­g vor. Was das für posthume Aberkennun­gen heißt, scheint aber unklar. Im Fall Karl Leipert ist nun die zuständige Abteilung Repräsenta­tionswesen des Landes beauftragt worden, „diesen Sachverhal­t zu prüfen“, wie es auf Anfrage des STANDARD aus dem Büro von Landeshaup­tmann Günther Platter (VP) heißt.

Beim grünen Koalitions­partner will man mehr: Mingler jedenfalls fordert eine „Aufarbeitu­ng und Neubewertu­ng sämtlicher in der Vergangenh­eit erfolgter Ehrungen“.

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Foto: Stefan Hechl Nazi-Dichter Karl Leipert soll Verdienstm­edaille verlieren.

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