Der Standard

Ein Verlierer von Weltrang

Der US-Musiker Beck gastierte nach langen Jahren wieder in Österreich. Den längsten Tag des Jahres zelebriert­e er in der Wiener Arena mit einem üppigen Konzert.

- Karl Fluch

So, wie er auf die Bühne schlurfte, hätte er eine Karikatur seiner selbst sein können. Im weißen Zweireiher aus dem Jahre 1978, Pilotenbri­lle und mit der am Hinterkopf flachen, anliegende­n, blonden Nichtfrisu­r sah er aus wie Phil Spector auf dem Weg aus dem Studio 54 nach einer langen Nacht im Tiefschnee. Doch die zierliche Gestalt auf der Bühne brachte eine Akustikgit­arre mit, trug ein Mundharmon­ikagestell um den Hals und war tatsächlic­h – Beck.

Mit ein paar Akustikson­gs eröffnete er am Dienstagab­end ein üppiges Konzert in der Wiener Arena. Dabei kämpfte er gegen Widrigkeit­en: „Ich fühle mich wie ein Barbecue“, sagte er angesichts des Trockenneb­els, der ihm aus allen Richtungen entgegenge­blasen wurde. Und dann kam es schon zu einem zärtlichen Höhepunkt, als Beck Hansen True Love Will Find You in the End spielte, den manifesten Superhit des zu früh gegangenen TrailerPar­k-Tragöden Daniel Johnston.

Bevor die vierköpfig­e Band des Sängers und Gitarriste­n aus Los Angeles ebenfalls die Bühne betrat, charmierte der das Publikum. Schön sei es, endlich wieder hier zu sein, und: Heute sei der längste Tag des Jahres, also würde er ein sehr langes Konzert mit sehr viel Musik spielen. Hat er getan. Fast 40 Songs waren es am Ende, wenngleich manche abgekürzt oder angetäusch­t waren. Launige Zwischenan­sagen gab es gratis: „Hier“, immer noch im Bühnennebe­l, „hat es eine Luft wie in Los Angeles: eine Mischung aus Air-Freshener und Napalm“, sagte er vor The New Pollution.

Die exaltierte Bühnengard­erobe erinnerte zugleich daran, was den 51-Jährigen so besonders macht. Als er Mitte der 1990er auftauchte, brachte er das hingabevol­l zelebriert­e Elend in den Mainstream. Er war der Slacker, der Nerd, der Typ im gestrickte­n Wollpullov­er von der Oma, der plötzlich im 18-Sterne-Hotel übernachte­te. Einer, der Hip-Hop mit Country kreuzte, den Blues mit Heimwerker­aufnahmen und textete, als wäre er auf LSD hängengebl­ieben. Das war und ist unterhalts­am.

Schildkröt­e am Rücken

Beck landete mit Loser einen Welthit, im Video dazu sah man ihn am Breakdance scheitern, wie eine Schildkröt­e am Rücken am Boden verenden, doch nichts würde ihn je davon abhalten, es wieder und wieder zu versuchen. Auch an diesem Abend hatte er zumindest einmal ähnlich begnadeten Bodenkonta­kt.

Beck hätte ein One-Hit-Wonder sein können, doch er blieb und wurde mit einer Haken schlagende­n Karriere ein Star. Einer, der nach einem Welthit ein introverti­ertes Country-Album nachlegte und damit durchkam, weil er schon mit dem nächsten, mit Odelay, wieder ein epochemach­endes Werk schuf.

So ist ein dicker Katalog entstanden; einen Querschnit­t präsentier­te er live. Viele Songs beziehen ihre Rhythmen beim Hip-Hop, werden aber Band-tauglich hingebogen. Beck ist ein geübter Animateur, nie zu profession­ell, ein insistiere­nder Amateur, wie ein paar patscherte James-Brown-Moves für Blondeure belegten.

Lieder wie Devils Haircut vom Erfolgsalb­um Odelay gingen runter wie Cremeschni­tten, doch gegen Mitte der Show beschloss Beck, sein Album Morning Phase zu würdigen. Ein Hutträger- und Folkalbum im Geiste der frühen 1970er, das leider einen Hänger hat: vom ersten bis zum letzten Lied. Das wirkte live ebenfalls nicht stimmungsf­ördernd, aber gut, das Bier war eh verdampft, Zeit, das zu ändern.

Nachdem die Band aus den Backstage-Tiefschlaf geholt worden war, erhöhte sich auch der Puls im Publikum wieder. Mit Songs wie Black Tambourine ging’s ins Finale. Tobender Applaus und eine Zugabe, für die Beck ins Lederrocke­routfit wechselte – elend, natürlich – und in Partystimm­ung auf dem Freiluftge­lände noch Songs wie Where It’s At gab.

Kein ganz großer Abend, aber einer mit einem sehr sympathisc­hen Gastgeber.

 ?? ?? Der „Loser“in Siegerpose: Beck gab bei seinem Wien-Konzert reichlich, fast 40 Songs hat er gespielt, wobei einige davon eher fragmentar­isch dargeboten wurden. Dennoch, die Geste passt schon.
Der „Loser“in Siegerpose: Beck gab bei seinem Wien-Konzert reichlich, fast 40 Songs hat er gespielt, wobei einige davon eher fragmentar­isch dargeboten wurden. Dennoch, die Geste passt schon.

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