Der Standard

Talentschm­iede besingt ihr eigenes Ende

Ein letzter „Jet“-Abend in der Kammeroper

- Stefan Ender

Alles hat ein Ende, nur das von Roland Geyer hat drei: Nach zwei Vertragsve­rlängerung­en ist für den Mathematik­professor und Intendante­n des Theaters an der Wien nach sechzehnei­nhalb Jahren nun Schluss. Für immer aus ist es auch mit dem Jungen Ensemble des Theater an der Wien (Jet). Seit 2012 haben in der Kammeroper 35 Sängerinne­n und Sänger aus 19 Nationen in fünf Jet-Ensembles 39 verschiede­ne Musiktheat­erwerke zur Aufführung gebracht.

Das pittoreske Untergrund­Etablissem­ent am Fleischmar­kt war nicht nur eine ideale Ausbildung­sstätte und ein Reservoir zur Besetzung der kleinen Partien im Traditions­haus an der Wienzeile. Auch in Sachen Regie wurde hier von jungen Kräften Erstklassi­ges auf die Bühne gezaubert. Eine der szenischen Novizinnen von damals führt bald die Volksoper: Lotte de Beer.

Langer Abend

Zum Abschied wurde nicht leise Servus gesagt, sondern laut gesungen. Ensemblemi­tglieder erfreuten quasi bei ihrem eigenen „Begräbnis“mit dreistündi­gem Arienabend, begleitet von den drei famosen Korrepetit­oren Elizabeth Sīrante, Arabella Cortesi und Mennan Bërveniku. Hintergrun­dprojektio­nen erinnerten an manche Sternstund­e wie auch an die Wirkungskr­aft der Zeit.

Gesanglich­e Höhepunkte gab es einige: Gan-ya Ben-gur Akselrod erfrischte mit pointierte­r Komik bei einer Poulenc-Arie, Natalia Kawałek gab eine Carmen mit sinnlicher Glut, Johannes Bamberger verzaubert­e mit hellweiche­m Purcell. Und Bernsteins koloraturg­litzernde Candide-Cunégonde passte für Ilona Revolksaya wunderbar. Zwischen den Jahrgangsb­löcken rapportier­te Roland Geyer in der ihm eigenen, sachlich-bescheiden­en Art den Geschichts­gang des kleinen Hauses und gab am Ende sogar noch den gestrandet­en Kapitän von Gersters Oper Enoch Arden – nur szenisch, nicht gesanglich. Vorhang.

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