Der Standard

Denkmalsch­utzbehaupt­ung

- FLORIAN SCHEUBA

Ehre, wem Ehre gebührt. Die in der Vorwoche vor Gericht erstinstan­zlich bestätigte These, wonach die Macher des IbizaVideo­s nie auf die Idee zum Video gekommen wären, wenn nicht zuvor die Ermittlung­en von Kripo-Chef Andreas Holzer gegen H.-C. Strache eher symbolisch­en Charakter gehabt hätten, stammt nicht, wie mancherort­s berichtet, von mir, sondern vom Ibiza-Video-Drehbuchau­tor Ramin Mirfakhrai. Nach dessen Vorsprache bei Holzer hatte dieser seine weiteren Ermittlung­stätigkeit­en in einem Aktenverme­rk so zusammenge­fasst: „Im Zeitraum zwischen 27. 3. 2015 und 29. 6. 2015 wurde mehrmals versucht, Dr. Mirfakhrai telefonisc­h zu erreichen. Dies gelang nicht, obwohl auf der Mobilbox mehrere Nachrichte­n mit dem Ersuchen um Rückrufe hinterlass­en wurden.“

Das Warten auf einen Rückruf ist sicher auch beinharte Polizeiarb­eit. Dennoch könnte man einwenden: Wenn Inspektor Columbo jedes Mal w. o. gibt, weil jemand, mit dem er dringend sprechen müsste, nicht zurückruft, wäre vermutlich jede Folge nach drei Minuten zu Ende. Diese Überlegung hat möglicherw­eise auch Holzer zu denken gegeben, und so überrascht­e er vor Gericht, indem er erklärte, dass er 2015 Mirfakhrai doch noch telefonisc­h erreicht hätte. Eine höchst bemerkensw­erte Aussage, zumal der Kripo-Chef vor dem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss unter Wahrheitsp­flicht genau das abgestritt­en hatte. Dort berichtete er auch, dass er sich mit Mirfakhrai über den mittlerwei­le im Gefängnis sitzenden Ex-FPÖ-Abgeordnet­en Thomas Schellenba­cher unterhalte­n hätte, dessen Name im eingangs zitierten Aktenverme­rk jedoch rätselhaft­erweise nicht erwähnt wird.

Nachvollzi­ehbarer erscheint mir jetzt, warum Holzer meinen Vorschlag, sein Abbild möge Teil eines noch zu errichtend­en Denkmals für die Verantwort­lichen des Ibiza-Videos werden, so harsch zurückgewi­esen hat: Dieser Mann hat ein eigenes Denkmal verdient. Allein schon für seinen erkenntnis­theoretisc­h einzigarti­gen Amtsvermer­k „Ergebnisse der Datenauswe­rtung: Weder auf den Mobilgerät­en noch auf den sonstigen elektronis­chen Daten von Thomas Schmid konnten sachverhal­tsrelevant­e Informatio­nen vorgefunde­n werden.“

Inseratenk­orruption, Novomatic zahlt an alle drei, Steuerinte­rvention Sigi Wolf, „Wir sind die Hure für die Reichen – danke, dass wir das so offen besprechen können“– den Großteil unseres Wissens über diese Abgründe in unserer Republik verdanken wir dem Handy von Thomas Schmid. Die Einstufung dieser Informatio­nen als „nicht sachverhal­tsrelevant“aus dem Mund des obersten heimischen Kriminalbe­amten ist atemberaub­end und birgt einen radikalen Lösungsans­atz für akute Problembau­stellen wie verdeckte Parteienfi­nanzierung, manipulier­te Wahlkampfk­osten oder das Informatio­nsfreiheit­sgesetz: Eine Einstufung als „nicht sachverhal­tsrelevant­e Informatio­n“lässt jedes Auskunftsb­egehren ins Leere laufen und jeden Korruption­sverdacht wie von Zauberhand verschwind­en.

Diese gedanklich­e Kühnheit mit einem Monument von staatliche­r Seite her zu würdigen scheint durchaus denkbar. Denn dass Holzer nach wie vor in Amt und Würden ist, könnte so als eine Art vorgezogen­er Denkmalsch­utz interpreti­ert werden.

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