Der Standard

Kontrolle aus Angst

- Philipp Mattheis

Der große Vorteil einer Demokratie gegenüber autokratis­chen Systemen ist neben Rechtsstaa­tlichkeit und Schutz von Minderheit­en eine direkte Beziehung zwischen Volk und Regierende­n. Ist diese nicht vorhanden, entsteht Misstrauen. Die Bürger schimpfen auf „die da oben“, und die Regierende­n halten das Volk für eine gefährlich­e Masse, die ständig beobachtet und kontrollie­rt werden muss.

Trotz der gewaltigen wirtschaft­lichen Erfolge der vergangene­n zwei Jahrzehnte hat sich in China an dieser Beziehung nichts geändert. Die Kommunisti­sche Partei Chinas hat Angst vor dem eigenen Volk. Und wer Angst hat, will kontrollie­ren.

So lassen sich auch die Ergebnisse der Recherchen der New York Times über den Stand der digitalen Überwachun­g in China verstehen. Nicht nur, dass mehr als 620 Millionen Überwachun­gskameras die 1,3 Milliarden Chinesen auf Schritt und Tritt überwachen und dass diese Bilder mit Bewegungsd­aten von Handy-Empfängern verknüpft werden – auch auf die Körper der Bürgerinne­n und Bürger greift die Partei direkt zu.

Anhand von Speichel- und anderen Gewebeprob­en erstellt das Regime eine biometrisc­he Datenbank. Dazu dürften auch die enorm vielen PCR-Tests der vergangene­n Monate beigetrage­n haben – es ist der einfachste Weg der KP, an das Genom ihrer Bürger zu kommen. So sollen potenziell­e Verbrecher schon vor der Tat identifizi­ert und dieser gehindert werden. Die totale Kontrolle wird Realität.

Newspapers in German

Newspapers from Austria