Der Standard

Keine Fortschrit­te bei Westbalkan-Gipfel für EU-Beitritt von Albanien und Nordmazedo­nien

Während die Ukraine und Moldau beim EU-Gipfel offiziell zu Beitrittsk­andidaten gekürt werden sollen, gab es im Vorfeld beim Westbalkan-Gipfel keine Fortschrit­te in Sachen Beitrittsg­espräche für Nordmazedo­nien und Albanien.

- Florian Niederndor­fer, Kim Son Hoang, Adelheid Wölfl

Brüssel – Beim am Donnerstag­nachmittag gestartete­n EU-Gipfel sollte über den künftigen Status der Ukraine und der Republik Moldau entschiede­n werden. EU-Ratschef Charles Michel zeigte sich vorab zuversicht­lich, dass beide zu Beitrittsk­andidaten ernannt werden. Dabei sprach er von einem „historisch­en Augenblick auf geopolitis­cher Ebene“. Kurz zuvor stimmte auch eine große Mehrheit im Europaparl­ament in einer nicht bindenden Entschließ­ung für den Kandidaten­status der beiden Länder.

Bei dem Spitzentre­ffen von EU und sechs Westbalkan­ländern, das vor dem EU-Gipfel stattfand, gab es allerdings keine Fortschrit­te hinsichtli­ch EU-Beitritts. Die Eröffnung von Beitrittsg­esprächen mit Nordmazedo­nien und Albanien scheitert weiterhin an der Blockade Bulgariens.

Als sich am Donnerstag um kurz nach 13 Uhr fast drei Dutzend Politikeri­nnen und Politiker aus den 27 EU-Mitgliedss­taaten und den sechs Westbalkan­ländern Serbien, Montenegro, Nordmazedo­nien, Albanien, Bosnien-Herzegowin­a und Kosovo in feinem Zwirn auf das Fotopodest im Brüsseler Ratsgebäud­e drängten, schien der Ärger der vergangene­n Tage vergessen – allerdings nur für einen kurzen Moment. Andächtig blickten dort neben ihrem Amtskolleg­en aus Bulgarien auch die Regierungs­chefs Nordmazedo­niens und Albaniens in die Kameras. Nicht nur die Ernennung der kriegsvers­ehrten Ukraine und Moldaus zu offizielle­n EU-Beitrittsk­andidaten stand in Brüssel zur Debatte, sondern auch ein schon seit längerem schwelende­r Konflikt: Bulgarien blockiert bisher den Aufnahmepr­ozess des kleinen Nordmazedo­nien – und indirekt auch jenen Albaniens, weil die EU mit beiden Ländern zugleich verhandeln will. Und auch die Frage, ob Bosnien-Herzegowin­a nach dem Wunsch Sloweniens Beitrittsk­andidat werden soll, bewegte die Gemüter.

Noch am Mittwochab­end schien eine Lösung greifbar nah, was den bulgarisch-nordmazedo­nischen Streit betrifft. In Sofia nämlich wurde das Kabinett von Bulgariens bisherigem – und vielleicht auch nächstem – Ministerpr­äsidenten Kirill Petkow mit einer knappen Parlaments­mehrheit durch ein Misstrauen­svotum gestürzt. Die heterogene Regierung war nur ein halbes Jahr im Amt gewesen und wegen Streiterei­en über das Budget und Subvention­en an Bauunterne­hmer zerbröselt.

Veto bleibt vorerst

Die neuen Verhältnis­se, vor allem aber ein Sinneswand­el in der von 2014 bis 2021 regierende­n konservati­ven Gerb-Partei von Ex-Premier Bojko Borissow, könnten nun alles ändern, was den Aufnahmepr­ozess mit Nordmazedo­nien betrifft. Der noch amtierende Premier Petkow machte jedoch schon bei seiner Ankunft in Brüssel klar, dass er an dem Veto seines Landes gegen die Aufnahme von Gesprächen mit Skopje festhalten wolle.

Ihm „persönlich“gefalle der Kompromiss­vorschlag der französisc­hen Ratspräsid­entschaft zwar, doch müsse nicht er, sondern das bulgarisch­e Parlament darüber befinden. Paris hatte vorgeschla­gen, den Aufnahmepr­ozess „unter Auflagen“beginnen zu lassen, etwa jener, dass Bulgaren als Volksgrupp­e in die nordmazedo­nische Verfassung aufgenomme­n werden.

So oder so zeigte sich Albaniens Ministerpr­äsident erbost. „Es ist eine Schande, dass ein Nato-Land zwei andere Nato-Länder als Geisel hält“, sagte Edi Rama in Brüssel.

Beim eigentlich­en EU-Gipfel, der am Donnerstag­nachmittag startete und bis Freitagmit­tag dauern soll, werden die Ukraine und Moldau wohl zu Beitrittsk­andidaten ernannt. Sloweniens Ministerpr­äsident Robert Golob hat zudem angekündig­t, den EU-Kandidaten­status auch für Bosnien-Herzegowin­a einzuforde­rn.

Gleiches gab bereits Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) zu Protokoll, der „gleiche Regeln für alle“forderte: „Das ist ein Gebot der Fairness und eine Frage der Glaubwürdi­gkeit.“Sein deutscher Amtskolleg­e Olaf Scholz sprach sich ebenfalls für Fortschrit­te im Beitrittsp­rozess der sechs Westbalkan­staaten aus.

Kurz vor dem Gipfel forderte das Europaparl­ament die Anerkennun­g der Ukraine und Moldaus als EUBeitritt­skandidate­n. Die große Mehrheit der Abgeordnet­en rief die Staatsund Regierungs­chefs der Mitgliedsl­änder in einer nicht bindenden Entschließ­ung auf, bei ihrem Gipfel in Brüssel „der Ukraine und der Republik Moldau unverzügli­ch den Status eines Bewerberla­ndes zu gewähren“.

Proteste in Georgien

Auch Georgien solle dieser Status zugestande­n werden, sobald die Regierung bestimmte von der Europäisch­en Kommission genannte Kriterien erfülle. In der Hauptstadt Tiflis haben Anfang der Woche etwa 60.000 Menschen für eine baldige EU-Mitgliedsc­haft demonstrie­rt.

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Vor dem EU-Sitz in Brüssel demonstrie­rten zahlreiche Ukrainer und Ukrainerin­nen für den Beitritt ihres Landes zur Union.

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