Der Standard

Die Gas-Auktions-Plattform

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Die aktuelle Bürde seines Amtes war dem deutschen Minister für Wirtschaft und Klimaschut­z Robert Habeck (Grüne) anzumerken, als er am Donnerstag die Öffentlich­keit informiert­e. „Die Lage ist ernst, die Drosselung der Gaslieferu­ngen ist ein ökonomisch­er Angriff auf uns“, sagte er.

Zwar ist die Gasversorg­ung in Deutschlan­d derzeit noch gesichert. Dennoch sah sich Habeck gezwungen, die zweite von drei Eskalation­sstufen des „Notfallpla­ns Gas“auszurufen. Eine solche liegt vor, wenn eine Störung der Gasversorg­ung oder eine außergewöh­nlich hohe Nachfrage zu verzeichne­n ist, die zu einer erhebliche­n Verschlech­terung der Gasversorg­ungslage führt. Der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen.

Habeck begründete den Schritt mit der Verringeru­ng der Gaslieferu­ngen aus Russland durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Zudem ist im Juli eine Wartung geplant, zehn Tage lang wird gar kein Gas kommen.

Normalerwe­ise greift Deutschlan­d in dieser Zeit auf Gasspeiche­r zurück. Aber im Moment will sich niemand darauf verlassen, dass die Versorgung via Pipeline nach der Wartung weitergeht. Und die Speicher sollen sich für den Winter füllen. Derzeit sind sie zu 57 Prozent gefüllt, das entspricht ungefähr einem Viertel des jährlichen Gasverbrau­chs in Deutschlan­d.

Anreize für die deutsche Industrie

Der Minister ahnt, dass für viele Bürgerinne­n und Bürger in Deutschlan­d Energiespa­ren derzeit noch kein Thema ist. Erstens herrschen sommerlich­e Temperatur­en, der Gedanke an Frieren ist für viele weit weg – erst recht nach dem harten Pandemie-Winter. „Man will ohne politische­n Trübsal den Sommer genießen“, sagt Habeck. Aber: „Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen.“

Deshalb will Habeck mit einem Gas-Auktions-Modell für die Industrie gegensteue­rn. Dabei bekommen die Unternehme­n in Deutschlan­d finanziell­e Anreize, um Gas einzuspare­n. Die Idee hat die Bundesnetz­agentur schon vor einigen Wochen gehabt, analog zu vergleichb­aren Modellen am Kohleund Strommarkt.

„Ziel ist es, dass industriel­le Verbrauche­r anders als bisher ihre Abschaltpo­tentiale dem Regelenerg­iemarkt zur Verfügung stellen und so möglichst viele Mengen für etwaige Engpasssit­uationen im kommenden Winter bereitzust­ellen“, heißt es bei der Bundesnetz­agentur.

Diese kann Gasmengen, die eingespart werden sollen, ausschreib­en. Unternehme­n sind dann aufgerufen, ihre Gebote abzugeben. Man erklärt, worauf man verzichten kann, der Preis wird über die Auktion geregelt. Der Staat würde den Interessen­ten aus Industrie und Wirtschaft sozusagen das Gas abkaufen und in die Speicher strömen lassen.

Der Zuschlag soll an das niedrigste Gebot gehen. Die Idee der Bundesnetz­agentur und von Minister Habeck dahinter: Wer keine hohen Gebote abgibt, kann offensicht­lich auf Gas verzichten – und bekommt dennoch Geld vom Staat dafür.

Unterstütz­ung kommt von der Industrie. Siegfried Russwurm, der Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI) nennt das Vorhaben einen „gescheiten Mechanismu­s“. In der Industrie gebe es Einsparpot­enziale, die bislang aus Kostengrün­den nicht genutzt würden. Durch die Auktion aber lasse sich dieses Problem mit einem marktwirts­chaftliche­n Hebel angehen.

Allerdings hat der deutsche Mittelstan­d Bedenken. „Die kleinen und mittleren Unternehme­n werden beim Bieten mit der Großindust­rie nicht mithalten können“, befürchtet Markus Jerger, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands der Mittelstän­dischen Wirtschaft. Er sorgt sich, dass der Mittelstan­d zwischen dem Energiebed­arf der Privaten und der Großindust­rie den Kürzeren zieht.

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