Sommer der Unzufriedenheit
Gestrichene Flüge, gestiegene Preise und der Beginn einer neuen Corona-Welle stehen knapp vor Urlaubsbeginn ins Haus. Reisende sind in diesem Sommer mit vielen Engpässen konfrontiert. Wir haben uns angesehen, welche Probleme in der Hauptreisezeit auftreten können und wie man sich dagegen wappnet.
Der Nachholbedarf bei Menschen mit Reiselust ist nach fast zweieinhalb Jahren Pandemie enorm. Leider wird aber gerade immer klarer, dass dieser Bedarf alle Möglichkeiten von Fluglinien und Airports übersteigt, rasch genügend neue Arbeitskräfte als Flugbegleiter und beim Bodenpersonal zu finden. Die Folge sind Flugstreichungen, lange Wartezeiten und verlorene Koffer an vielen europäischen Flughäfen.
Also besser das eigene Auto nehmen und damit ins nahe Ausland fahren? Das ist eine Möglichkeit, wenn wir uns nicht an Megastaus und fehlenden Hotelbetten stören. Stark gestiegene Preise und Corona-Fallzahlen belasten die Nerven zusätzlich. Welche Probleme sonst noch auf Reiselustige in diesem Sommer zukommen und wie man sich dagegen wappnet, zeigt diese Übersicht.
Problem: Engpässe auf vielen Flughäfen
Flughafenbetreiber rechnen damit, dass zwei Drittel der Flughäfen in Europa mit dem Passagierandrang in diesem Sommer nicht mithalten können. Es fehlt überall an Bodenpersonal, weshalb es bis in den Herbst hinein häufiger zu Flugverspätungen kommen wird. Dachverbände wie Airports Council International (ACI) halten spontane Flugausfälle im Sommer aber für weniger wahrscheinlich. Der Flughafen Wien ist angeblich besser aufgestellt. Der Personalstand liegt derzeit bei 80 Prozent, gemessen am Vor-Corona-Jahr 2019. Frage: Wie soll ich dem Andrang begegnen? Antwort: Da Sicherheitskontrolle und Checkin wegen Unterbesetzung beim Bodenpersonal länger dauern, sollte man mehr Zeit einplanen. Viele Passagiere haben nach zwei Jahren Pandemie die eingelernten Routinen am Flughafen vergessen. Fluglinien bitten deshalb, erforderliche Corona- und Reiseunterlagen bei der Hand zu haben und schon beim Packen an Flüssigkeits beschränkungen und andere Vorschriften fürs Handgepäck zu denken. Wer es trotz Zeitpuffers und eigener Bemühungen nicht rechtzeitig zum Boarding schafft, sollte vorab die rechtzeitige Ankunft am Flughafen dokumentiert haben – etwa durch ein Selfie vor der Abflugtafel mit Uhrzeit.
Problem: Flugstornierungen durch Airlines
Für Juli strich die AUA-Mutter Lufthansa rund 900 Flüge in Deutschland und Europa an Wochenenden. Wie es im August weitergeht, ist einem Sprecher zufolge noch offen. Bei der AUA sei aus aktueller Sicht aber ein stabiler Flugbetrieb im Sommer möglich, betont AUASprecherin Sophie Matkovits. Dennoch muss bei den meisten Airlines mit Stornierungen gerechnet werden, weil Personal fehlt. Dadurch ergibt sich für viele die Frage, wie Ersatz für den gestrichenen Flug zu finden ist.
Frage: Muss mich die Airline im Fall einer Stornierung umbuchen, oder soll ich mich selbst um einen neuen Flug kümmern?
Antwort: Laut Fluggastrechteverordnung haben Reisende ein Wahlrecht zwischen der vollständigen Erstattung des Ticketpreises oder einer Umbuchung durch die Airline. In der Praxis funktioniert die Umbuchung oft nicht. Man solle sich daher das Einverständnis für die eigenständige Alternativbuchung von der Airline holen, damit es bei der Erstattung keine Probleme gibt, raten Konsumentenschützer. Überdies gilt: Kommt die Flugstreichung früh genug, sollten Reisende prüfen, was für sie günstiger ist. Weil die Preise manchmal kurz vor Abflug sinken, kann eine Erstattung sinnvoll sein. Auf die Umbuchung pochen sollte man, wenn der Alternativflug deutlich teurer ist als der gestrichene.
Problem: Der Personalmangel an Flughäfen führt auch zu mehr verlorenen Koffern
Die Zahl der weltweit falsch gehandhabten Gepäckstücke ist innerhalb eines Jahres um 24 Prozent gestiegen. Unter „falsch gehandhabt“versteht man in der Branche Gepäck, das verspätet oder mit Schäden ankommt, gestohlen wurde oder verloren gegangen ist. Im Jahr 2021 wurden im Schnitt 4,35 Gepäckstücke pro 1000 Passagiere „falsch behandelt“, nur ein kleiner Prozentsatz davon (sechs Prozent) kam gar nicht bei den Besitzern an. Die Zahlendes Luftfahrt technologieunt er nehmensSita sind nicht aktuell, aber inder Studie wird eindrücklich davor gewarnt, dass der Anteil beschädigten oder verlorenen Gepäcks 2022 nochmals steigen könnte, wenn wieder mehr Passagiere unterwegs sind.
Frage: Kann ich dem Verlust vorbeugen? Antwort: Es gibt technische Lösungen wie die Airtags von Apple oder ein Schloss vom Hongkonger Start-up Taglock, mit denen Gepäck per Smartphone getrackt werden kann. Die Frage bleibt aber, wie man nach dem Tracken an diese Gepäckstücke kommt. Außerdem wird Gepäck viel öfter beschädigt oder verspätet geliefert als verloren. Das Montrealer Übereinkommen regelt alle damit verbundenen Ansprüche. Reisende ohne Koffer erhalten dadurch auch das Recht, am Urlaubsort die „notwendigsten“Dinge zu besorgen und später der Fluggesellschaft in Rechnung zu stellen. Darunter versteht man etwa Hygieneartikel und etwas Kleidung, abhängig vom Zweck der Reise. Für die Geltendmachung gibt es Musterformulare etwa beim Europäischen Verbraucherzentrum.
Problem: Unterschiedliche Corona-Regeln
Berichte rund um eine anrollende CoronaWelle lassen nichts Gutes erwarten. Gerade bei Reisewilligen sorgt das kurz vor Beginn der Urlaubssaison für Verunsicherung. Frage: Welche Regeln gelten aktuell in beliebten Urlaubsländern?
Antwort: Die überwiegende Mehrheit der europäischen Länder hat die Einreisebestimmungen gelockert. Ein 3G-Nachweis (geimpft, getestet, genesen) bei der Einreise aus Österreich ist laut ÖAMTC (Stand: 22. Juni 2022) nur noch in Portugal, Frankreich und Finnland notwendig. Italien hat die Einschränkungen seit dem 1. Juni für Reisende aus Österreich abgeschafft, ebenso die Türkei. Seit 2. Juni sind in Spanien die Covid-19-Einreisebestimmungen sowie die Registrierungspflicht gefallen. In Griechenland und in Kroatien gelten derzeit keine einschlägigen Einreisebestimmungen. Das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes ist in Kroatien nicht vorgeschrieben, wird aber etwa beim Besuch von Lokalen empfohlen. In Griechenland gilt eine FFP2-MaskenPflicht für Personen ab vier Jahren in den Öffis. Vor Antritt einer Reise sollte man sich weiterhin auf der Länderübersicht des Außenministeriums erkundigen.
Problem: Streiks im Urlaubsland
Großbritannien sah sich in dieser Woche mit dem größten Bahnstreik seit Jahrzehnten konfrontiert. Die Gewerkschaften sehen darin den Auftakt zum „Sommer der Unzufriedenheit“. Tatsächlich finden die Streiks zu einer Zeit statt, in der Reisende auf britischen Flughäfen wegen Personalmangels ohnehin Verspätungen und Annullierungen in letzter Minute hinnehmen müssen. Die gute Nachricht: Nach letzten Meldungen endet der Arbeitsausstand heute, Samstag. Frage: Wie kommt man zum Flughafen, wenn wieder gestreikt wird?
Antwort: Als Alternative bietet sich ein Taxi an. Ein Anbieter, der zum Fixpreis fährt, ist zum Beispiel London Heathrow Cars. Eine weitere Möglichkeit ist der Bus. Dieser fährt laut der Website Rome2Rio beispielsweise ab London Victoria Coach Station in 45 Minuten zum Flughafen Heathrow (Terminal 2 und 3). Aber was nutzt das, wenn, wie Anfang der Woche in Brüssel, gar nichts mehr geht. Auch dort war der Reiseverkehr durch einen Streik stark eingeschränkt. Eine Folge: Der größte belgische Flughafen musste sämtliche Starts von Passagiermaschinen streichen.
Problem: Heuer drohen Megastaus
Alle wollen weg – und das bevorzugt mit dem Auto, dem laut einer Umfrage unangefochtenen Verkehrsmittel Nummer eins: 72 Prozent legen den Weg in die Ferien mit dem Pkw zurück, unter den 18- bis 29-Jährigen seien es sogar acht von zehn, wie Autoscout 24 herausgefunden hat. In Österreich wird man gestaffelt an den ersten beiden Juliwochenenden in den Sommerurlaub aufbrechen, berichtet der ÖAMTC. Dabei wird der Ferien
beginn im Osten, am 2. Juli, erfahrungsgemäß noch verhalten, der Ferienbeginn im Westen, am 9. Juli, schon stärker ausfallen, schätzt man. Der Höhepunkt des Sommerreiseverkehrs wird an den ersten beiden Augustwochenenden erwartet, die Bayern starten am 1. August in den Urlaub. Die Urlauberrückreise hat sich laut dem Mobilitätsklub in den letzten Jahren immer weiter in den September verschoben. Auch heuer rechnet man mit den letzten Wellen in Richtung Norden erst Mitte bis Ende September. Das Ferienende in Bayern am 12. September spricht für starkes Verkehrsaufkommen auf den Haupttransitrouten. Frage: Wie kann man den Stau meiden? Antwort: Durch gute Planung und ein bisschen Flexibilität: „Wir raten Autofahrern, den Freitag und Samstag als Reisetag zu meiden“, heißt es etwa vom ARBÖ. Vor der Abfahrt sollte man Verkehrsinformationen – über Radio oder Internet – einholen: Ist bereits vor der Abfahrt ein außergewöhnlicher Stau bekannt, dann lieber noch etwas Zeit zu Hause verbringen und einen späteren Zeitpunkt für die Fahrt wählen, liest man beim ÖAMTC. Wenn es die Möglichkeit gibt, eine alternative Route zu fahren, die möglicherweise länger ist, dafür frei von Stau, dann sollte man diese wählen.
Problem: Bei Pauschalreisen könnten Preiserhöhungen weitergegeben werden
Die Kerosinpreise sind enorm gestiegen, Unterkünfte haben weniger Personal und höhere Betriebskosten, die Verknappung von Waren und Dienstleistungen heizt die Preise noch zusätzlich an. Aber wenn man bereits eine Pauschalreise gebucht hat, ist man doch preislich auf der sicheren Seite, oder? Bei Reisepaketen, die Flug und Unterkunft enthalten, sind Preiserhöhungen grundsätzlich möglich, allerdings nur bis spätestens 20 Tage vor Reisebeginn. Auch ist dies im Vertrag ausdrücklich zu vermerken, und die Preisänderung muss sich nachvollziehbar auf bestimmte Posten wie Treibstoffkosten oder Wechselkurse beziehen, weiß die ÖAMTC-Rechtsabteilung. Überdies müssen Reisende schriftlich über die Teuerung informiert werden. Frage: Also muss ich die Preiserhöhung gegebenenfalls hinnehmen?
Antwort: Nicht zwangsläufig. Wird die Reise um mehr als acht Prozent teurer, hat man das Recht, kostenlos zurückzutreten und alle bereits geleisteten Zahlungen retourniert zu bekommen. Äußert man sich nicht innerhalb der vom Veranstalter festgesetzten Frist, gilt die Preiserhöhung als angenommen. Grundsätzlich gibt es heuer ein Commitment – zumindest von den großen Veranstaltern und Reisebüros –, Preiserhöhungen für bereits gebuchte Pauschalreisen im Sommer nicht an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben.
Problem: Die Corona-Fallzahlen steigen wieder und gefährden den Reiseantritt
Die 10.000er-Marke bei den Neuinfektionen in Österreich ist wieder überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, vor Urlaubsantritt zu erkranken, steigt also. Viele sagen deshalb hinter vorgehaltener Hand, dass sie sich vor dem Urlaub auf keinen Fall testen lassen wollen. Was aber, wenn man verantwortungsbewusst agiert, bei Symptomen testet und einen positiven Befund bekommt? Neben der Quarantäne droht dann schließlich, dass man auf den Kosten für eine gebuchte Reise sitzenbleibt.
Frage: Welche Versicherungs- und Stornolösungen gibt es bei einer Corona-Erkrankung?
Antwort: Die Arbeiterkammer (AK) hat im April 2022 Stornoversicherungen für Reisende untersucht. Das Ergebnis: Fünf Versicherungen übernehmen laut AK die Stornokosten im Fall einer Corona-Erkrankung vor Reisebeginn, vier auch nur bei einem Verdacht auf eine Infektion. Erkrankt man während des Urlaubs, kommen zwei Versicherungen für die Kosten einer medizinischen Behandlung, für eine Rückreise und die zusätzlichen Aufenthaltskosten sowie die Quarantäneunterbringung auf – vorausgesetzt, es besteht keine Reisewarnung (Stufe fünf oder sechs) des österreichischen Außenministeriums. Kreditkarten mit inkludierten Reiseversicherungen bieten übrigens keine Absicherung für den Fall einer Corona-Erkrankung, außer sie kooperieren mit der Europäischen Reiseversicherung. Weitere Punkte: derStandard.at/Reisen
Die Reiselust ist zurück. Wer kann, macht sich auf den Weg. Aber es knirscht auch wieder heftig im System. An den Flughäfen stehen die Passagiere Schlange, die Airlines warten mit Verspätungen und Umbuchungen auf. Was läuft da falsch? Und vor allem: Gibt es Auswege aus der Misere?
Abflug nach Nizza – verspätet; Reisende nach Abu Dhabi – bitte um Geduld; Passagiere auf dem Weg nach Amsterdam – mit Verzögerung ist zu rechnen; Reiseziel Düsseldorf – Flug gestrichen. Ein ganz normaler Wochentag in Wien Schwechat – und das auf einem Flughafen mit vergleichsweise wenigen Blessuren. Endlose Schlangen, wie es sie etwa jüngst an den Flughäfen Heathrow in London oder Schiphol in Amsterdam gab, sind bislang noch nicht dokumentiert. Dort warteten Passagiere erschöpft und genervt bis zu sechs Stunden auf die Sicherheitskontrolle, jene, die auf die Abfertigung warteten, quollen aus den Terminals auf die Parkplätze, Zufahrten zu den Flughäfen waren verstopft. Chaos pur.
Im Juni wurden an den großen europäischen Flughäfen täglich Hunderte von Flügen gestrichen oder verspätet abgefertigt. Ob Frankfurt oder Berlin, Charles de Gaulle in Paris oder Praha-Ruzyně in Tschechien, Heathrow oder Gatwick in London: Es wird wieder annulliert und überbucht, und die Abflugzeiten weichen teils eklatant von den Planzeiten ab. Wien kommt nicht ungeschoren davon: „Ich konnte meine Dienstreise wegen Überbuchung nicht antreten“, klagt einer auf einem Social-Media-Kanal, um gleich noch schäumend seinen Unmut über eine weitere Unsitte kundzutun: Endlos werde er in einer Warteschleife hingehalten und von falschen Versprechungen berieselt – gleich heben wir für Sie ab –, anstatt Auskunft zu erhalten, wie ihm die Fluggesellschaft nun zu helfen gedenke.
Verpatzte Ferien
Zahlreiche Fluggastrechteportale tragen diverse Listen der Schande zusammen, die Flughäfen in Brüssel, Paris und Eindhoven verärgern die Fluggäste laut einer Analyse des Fluggastrechte-Portals Airhelp am häufigsten. Dort gab es 2021 anteilig die meisten Verspätungen oder Flugausfälle. Wien schnitt vergleichsweise gut ab. Europaweit hatten demnach rund 20 Millionen Fluggäste Probleme bei den Flugreisen. In Brüssel war fast jeder dritte Passagier betroffen, in Paris mehr als jeder vierte. Heuer geht es in dieser Tonart weiter.
Auf diversen Social-Media-Kanälen klagt man einander sein Leid. Europas Flughäfen würden im Sommer vor einer „großen Herausforderung“stehen, warnen führende Vertreter der Luftfahrtbranche seit geraumer Zeit. Für Millionen von Fluggästen dürfte das viel Ungemach bringen: quälende Schlangen, nie oder zu spät ankommende Gepäckstücke, verpasste Flüge, verpatzte Ferien. Bei den Unterkünften geht es weiter, sagt Ulrike Weiß. Bei der Konsumentenschutzexpertin der Arbeiterkammer Oberösterreich schlagen derzeit neben den vielen Umbuchungen bei Airlines auch überbuchte Hotels – vor allem in Griechenland – auf. Weiß geht von einem heißen Sommer aus und empfiehlt beim Reisen „viel Geduld und Gelassenheit“.
Der Air Council International – Europas Branchenverband für Flughäfen – orakelt, dass in diesem Sommer auf zwei Dritteln der europäischen Flughäfen Verspätungen unvermeidlich sind, Luftfahrt fachleute schlagen in die nämliche Kerbe. „Der Verkehr ist stark zurückgegangen – 86 Prozent der Kapazität von 2019 sind im Netz –, und ein großer Teil des Verkehrs hat sich aus der Ukraine nach Westen verlagert “, warnte Jacopo Passinotti, Direktor für Netz management beider Flugsicherung s organisation Eurocontrol auf Euronews. Überraschend kommt das alles also nicht. Die Flughäfen auf dem gesamten Kontinent haben Mühe, den plötzlichen Zustrom von Fluggästen nach dem Fall der Covid-Einreisebeschränkungen zu bewältigen. Die Fluggesellschaften fahren ihre Kapazitäten hoch und jubeln über erfreuliche Buchungszahlen. Gleichzeitig rappeln sie sich mühsam aus der Verlustzone. Alle Airlines mussten während der Pandemie an allen Ecken und Enden sparen. Flughafenbetreiber und ihre Dienstleister schnallten die Gürtel enger. Und das kräftig. Manche konnten sich nur dank üppiger Staatshilfen über Wasser halten.
Mitarbeitermangel
Viele Beschäftigte haben während des Corona-bedingten Stillstands die Branche verlassen. Weil sie dank Kurzarbeit weniger verdienten, weil sie beim Gehalt Abstriche machen mussten, weil sie vielleicht gekündigt worden sind. Diejenigen, die geblieben oder neu an Bord gegangen sind, fordern bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter – auch wegen der steigenden Inflation. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, legen sie schon einmal die Arbeit nieder.
Auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle wurden jüngst mehr als 100 Flüge gestrichen – die Gewerkschaft will für das Flughafenpersonal eine monatliche Gehaltserhöhung von 300 Euro erstreiten. Mehr als 360 Flüge von und zu italienischen Flughäfen wurden gestrichen, nachdem Fluglotsen und Kabinencrews einen Streik ausgerufen hatten. Dazu kommen wieder vermehrt Coronabedingte Ausfälle. Das trifft auch die AUA, Mutter Lufthansa und Schwestern. In Salzburg musste Eurowings jüngst Flüge streichen, unter anderem wegen vermehrter Krankmeldungen bei den Crews. Die Passagiere konnten zum Teil erst mit einem Ersatzflug ab München durch Tui Fly am Folgetag an ihr Reiseziel bzw. nach Hause gebracht werden.
Prekäre Jobs
Auch Wien sei keine Insel der Seeligen, sagt Daniel Liebhart, Vorsitzender des Fachbereichs Luftfahrt in der Gewerkschaft Vida. Auch wenn er bestätigt, was das Flughafenmanagement auch sagt: Wien sei vergleichsweise gut aufgestellt. „Das ist aber nur durch freiwillige Mehrleistung beim Personal, also Überstunden“zu gewährleisten, so Liebhart. Als Hauptproblem sieht er die „Hungerlöhne von neun Euro beim Sicherheitspersonal“– und ebenso „prekäre Jobs bei den Billigairlines in der Kabine“. Aus seiner Sicht bräuchte es – Sicherheits- und Bodenabfertigung inklusive – bis zu tausend Leute mehr am Flughafen.
Die Leidtragenden des Knirschens im System sind jedenfalls die Passagiere. Eigentlich nicht einzusehen, findet Konsumentenschützerin Weiß. Probleme gebe es vor allem mit den Billigairlines. „Es gibt überhaupt keine Lösungsbereitschaft. Da werden Konsumentenrechte mit den Füßen getreten.“Weiß hält es ohnehin für nicht gerechtfertigt, dass Konsumenten ihr Ticket Monate im Voraus buchen und gleich bezahlen müssen, „um dann zwei Stunden vor Abflug zu erfahren, dass man keine oder schlechtere Leistung bekommt“. Und sich dann bei Problemen noch selbst mit den Anbietern herumschlagen muss. Weiß hätte da eine Idee: Würde man das per Gesetz umdrehen – Geld abbuchen bei Erhalt des Boardingpasses –, wäre vieles besser.