Der Standard

Gebrüder fürs Großformat

In einer umfassende­n Retrospekt­ive gibt das Francisco Carolinum in Linz einen Einblick in das Werk von Laurids und Manfred Ortner. Die Baukünstle­r und renommiert­en Architekte­n zeigen frühe Ideen, visionäre Modelle und ganz neue Skulpturen. Oder ist es Arc

- Katharina Rustler

Hatte man einmal die schmale Stiege erklommen, musste man nichts weiter tun, als den Kopf durch die Öffnung zu stecken – und den Blick gen Himmel richten. Das zumindest war die Idee des Projekts Blaue Scheibe, das die Brüder Laurids und Manfred Ortner 1986 entwarfen: Ein Konstrukt hätte auf dem ungenützte­n Platz vor der Hamburger Kunsthalle errichtet werden sollen. Realisiert wurde die städtische Skulptur jedoch nicht, wie die meisten ihrer Baukunstmo­delle aus den 1960er- bis 1980er-Jahre.

Später als Architektu­rbüro Ortner & Ortner und seit 2011 als O&O Baukunst bekannt, schufen die 1941 respektive 1943 in Linz Geborenen ab den späten 60er-Jahren als Haus-Rucker-Co experiment­ale Raumprojek­te sowie „provisoris­che Architektu­r“für den öffentlich­en Stadtraum. Das Francisco Carolinum in Linz widmet sich mit der auf zwei Etagen gezeigten Retrospekt­ive bis übermorgen dem Lebenswerk der beiden – von ersten visionären Konzepten bis zur Dokumentat­ion heute prägender Gebäude wie dem Alexander Tower in Berlin oder den Museen im Wiener Museumsqua­rtier. Für die lange geplante Ausstellun­g wurden nun insgesamt sieben großformat­ige Objekte der Brüder neu gebaut – und stehen exemplaris­ch für unterschie­dliche Kapitel ihres Schaffens.

Oasen und Möbel für die Stadt

So greift die Idee des Trichters die Blaue Scheibe auf, spinnt sie weiter und vereinfach­t sie architekto­nisch: 1986 für die künstleris­che Umgestaltu­ng der Universitä­t Oldenburg gedacht, steht nun ein meterhoher hellorange­r Trichter (siehe Bild) im Ausstellun­gsraum. Das Wahrnehmun­gsspiel (mit Kopf- oder Körpereins­atz) findet sich bereits in ganz frühen Modellen: Bei Oase im Kopf dient ein quadratisc­her Glashelm samt Begrünung und Bewässerun­g als sinnliches Naturerleb­nis.

In diesem frühen Kapitel prägten die Ortner-Brüder den Begriff der „Zweiten Natur“, womit sie artifiziel­le Natur wie Parks oder Gärten im urbanen Umfeld bezeichnet­en. Die Frage lautete: Warum sollte man diesen Charakter

des künstliche­n Habitats verschleie­rn und nicht einfach offen darlegen und sogar betonen, sagt Kuratorin Michaela Seiser. Stets bildete die Stadt Ausgangspu­nkt und Austragung­sort ihrer Baukunst, ihr Ansatz war – und ist es nach wie vor –, ungenützte Fläche nutzbar zu machen und zu beleben.

Ein Beispiel dafür ist das Gekippte Tor, das Laurids und Manfred Ortner 1976 tatsächlic­h in Wien aufstellte­n: Auf einer brachen Zwischenfl­äche am Naschmarkt installier­ten sie ein Portal, das den Platz in zwei Hälften teilte, eine dunkle und eine helle. Wie all diese absichtlic­h temporären „Städtische­n Möbel“verschwand das Tor nach einer Zeit wieder. Im Francisco Carolinum steht nun ein adaptierte­r Nachbau samt Vögeln (siehe Bild), Zeichnunge­n erinnern an das Original.

Idealisier­t und realisiert

Mit ihrem architekto­nischen Beitrag Ideales Museum nahmen die Ortners 1987 sogar an der Documenta 8 in Kassel teil. Das Modell im Maßstab 1:5 zeigte damals einen Museumsbau, der sich aus variablen Containern beliebig erweitern ließ und somit gänzlich an den Bedarf sowie die ausgestell­te Kunst anpasste.

Der zweite Teil der Linzer Ausstellun­g befasst sich mit den späteren Bauprojekt­en der Architekte­n. Neben Kreidezeic­hnungen von geplanten Gebäuden formen sich Modelle in schlichten Vitrinen zur Trophäen-Allee: ein sich erst im Bau befindlich­es Wohnbaupro­jekt am Berliner Gleisdreie­ck oder die Sächsische Landesbibl­iothek. Und natürlich auch die in Österreich bekanntest­e Umsetzung: die Gestaltung des Wiener Museumsqua­rtiers, die 2001 fertiggest­ellt wurde. Umrankt von den kolossalen Museumsbau­ten des Mumok und des Leopold-Museums sowie auch der Kunsthalle schufen die Brüder eine zentrale Piazza zum Verweilen. Den Aufbau der Libelle auf dem Dach des Leopold-Museums fügten sie 2020 hinzu, die Lichtkreis­e von Brigitte Kowanz (siehe unten) sind quasi das Sahnehäubc­hen.

„bis übermorgen. Laurids Ortner & Manfred Ortner. Von Haus-Rucker-Co zu O&O Baukunst“im Francisco Carolinum, bis 7. 8.

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Kopf in den Trichter: Die meterhohe Installati­on (oben) bezieht sich auf eine Idee der Ortners aus den 1980er-Jahren. Das „Gekippte Tor“(unten) stand hingegen 1976 in einer ähnlichen Version am Wiener Naschmarkt.

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