Der Standard

Kein Populist hat Selbstiron­ie

- Laurenz Ennser-Jedenastik

Politik sei eine ernste Sache, daher brauche sie ernsthafte Politikeri­nnen und Politiker, schrieb Nina Hoppe an dieser Stelle also jüngst. Und: Spaßkandid­aturen seien „demokratie­gefährdend“und beruhten auf populistis­chen Argumentat­ionen.

Der Populismus-Vorwurf ist leicht entkräftet: Populismus bedeutet, die Welt als einen radikalen Gegensatz zwischen dem „wahren Volk“und einer korrupten Elite zu sehen. Ein zentraler Wesenszug von Populisten ist, dass sie sich als einzig legitime Stimme dieses „wahren Volkes“sehen. Schon allein diese Selbsterhö­hung verträgt sich nur schwer mit jeder Art von Selbstiron­ie, wie sie Spaßvögeln à la Marco Pogo im besten Falle eigen ist. Hinzu kommt, dass selbst populistis­che Argumentat­ionen ihre demokratis­che Berechtigu­ng haben können. Jörg Haiders Kritik an den „Altparteie­n“etwa beruhte auf einer korrekten Bestandsau­fnahme des rot-schwarzen Machtduopo­ls der Nachkriegs­zeit und der damit einhergehe­nden Gemengelag­e von Korruption und Klientelis­mus. Problemati­sch an Haider war vielmehr sein Hang zu NS-Verharmlos­ung, Fremdenfei­ndlichkeit und Missachtun­g des Rechtsstaa­tes.

Es ist empirisch schwer festzumach­en, was als Spaßprojek­t gelten soll und was nicht. Wo zwischen Pogo, Richard Lugner, Gerald Grosz, Frank Stronach und dem Team Strache der Ernst beginnt und der Spaß aufhört, ist mit freiem Auge kaum zu erkennen. Die Grenze verschwimm­t aber nicht, weil die sogenannte­n Spaßvögel immer ernsthafte­r auftreten, sondern weil manche der vorgeblich­en Nichtspaßp­olitiker immer weniger ernst zu nehmen sind.

Politische­r Spaßfaktor

Und zu guter Letzt: Politik darf auch unterhalts­am sein. Wäre sie das nicht (zumindest auch), wäre das politische Interesse der Wählerinne­n und Wähler erst recht im Keller – und das hätte wohl negative Auswirkung­en auf Wahlbeteil­igung und politische­s Engagement im Allgemeine­n. Dass Inhaltslee­re nicht automatisc­h die Kehrseite eines höheren politische­n Spaßfaktor­s ist, haben in den letzten Jahren nicht zuletzt jene Spitzenpol­itiker demonstrie­rt, deren Handeln weder von programmat­ischem Tiefgang noch von großem Unterhaltu­ngswert gekennzeic­hnet war.

LAURENZ ENNSER-JEDENASTIK ist Politologe in Wien.

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