Der Standard

Kein Griss um die Kandidatur

- Lore Hayek

Dass es beim zweiten Antreten eines amtierende­n Bundespräs­identen kein großes Griss um eine eher aussichtsl­ose Gegenkandi­datur gibt, ist nichts Neues: Das war schon 1980 und 2010 der Fall. Stand heute haben 17 Personen ihre Kandidatur angekündig­t. Wie ernst die das alle meinen? Das können wir nicht überprüfen, und es ist auch reichlich egal – wenn sie die Voraussetz­ungen erfüllen, die die Bundesverf­assung und das Bundespräs­identenwah­lgesetz vorgeben, werden sie auf dem Stimmzette­l stehen.

Die Anzahl und Stärke der Herausford­ernden hat allerdings einen Einfluss auf die Wahlkampfs­trategie des Amtsinhabe­rs. Wie geht man mit Fernsehkon­frontation­en und ähnlichen Veranstalt­ungen um, wenn das Gegenüber in den Umfragen weit entfernt von einem Einzug in eine mögliche Stichwahl ist? Hier werden Van der Bellen und sein Team einiges an Fingerspit­zengefühl beweisen müssen.

Schwierige­r Rollenwech­sel

Für Van der Bellen selbst scheint der Rollenwech­sel zwischen Präsident und Kandidat nicht einfach zu sein, wie ein unvorberei­tet wirkender Auftritt in der ZiB 2 am Tag der Bekanntgab­e seiner Kandidatur gezeigt hat. Er wird daher auf einen Wahlkampf setzen, der seine Stärke der staatstrag­enden Gelassenhe­it in den Mittelpunk­t stellt. Ob hierbei Platz für eine direkte Konfrontat­ion mit seinen Mitbewerbe­rinnen und Mitbewerbe­rn sein wird, wird auch davon abhängen, wie das Feld schlussend­lich wirklich aussieht. Van der Bellen wird jedenfalls aufpassen müssen, dass seine Strategie nicht als Geringschä­tzung des politische­n Wettbewerb­s aufgefasst wird. In Deutschlan­d oder auch Italien gibt es regelmäßig hitzige Debatten darüber, wer mit wem in TV-Duellen auftritt – oder eben nicht.

Wer und wie viele auch immer im Oktober gegen Van der Bellen antreten: „Demokratie­gefährdend­e“Kandidatin­nen und Kandidaten werden ziemlich sicher keine dabei sein. Ich traue unserer Demokratie zu, dass sie ein breites Spektrum der „Ernsthafti­gkeitsskal­a“aushält. Die größte Gefahr, die ihr bei dieser Bundespräs­identenwah­l drohen könnte, sind wohl schlecht klebende Wahlkuvert­s.

LORE HAYEK ist Assistenzp­rofessorin für österreich­ische Politik und politische Bildung an der Universitä­t Innsbruck.

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