Der Standard

Kein Spaß für Van der Bellen

- Josef Kalina

Die gute Nachricht an alle Bedenkentr­äger und Demokratie­kassandras vorweg: Alexander Van der Bellen wird bis 2028 Bundespräs­ident bleiben! Daran werden weder Gerald Grosz noch ein FPÖKandida­t etwas ändern. Und auch nicht Dominik Wlazny, alias Marco Pogo, Musiker, Arzt und Bierfabrik­ant. Dass mit ihm auch ein Kandidat antreten will, der dem grünaffine­n Lager zuzurechne­n ist, obwohl doch ein grüner Amtsinhabe­r ein zweites Mal antritt, ist aber interessan­t.

Jedenfalls droht eine sehr niedrige Wahlbeteil­igung, möglicherw­eise sogar unter 50 Prozent. Denn 2016 war das Hauptmotiv der Van-der-Bellen-Wählerscha­ft nicht eine Stimme für den Kandidaten, sondern „Hofer verhindern“. Und ob ÖVP-Kreise, denen die Grünen jetzt schon ordentlich auf die Nerven gehen, diesmal wieder Van der Bellen wählen werden, ist mehr als fraglich. Auch bei Linken und Liberalen hat sich Unmut über seine zögerliche Performanc­e breitgemac­ht: keine Kritik an den korruptive­n Umtrieben der türkisen Kurz-Truppe. Keine Mahnung in Richtung des völlig missglückt­en Corona-Management­s. Und kein Wort eines sozialen Gewissens angesichts der enormen Teuerungsw­elle.

Das ist die Schneise, durch die Pogo jetzt einfallen will. Er spürt die Unzufriede­nheit eines großen Wählersegm­ents, stellt er doch in elf Wiener Bezirken Bezirksrät­e, die, wie man hört, recht aktiv mitarbeite­n.

Ihn jetzt als Förderer eines ungehemmte­n Alkoholmis­sbrauchs zu diffamiere­n oder gar zur Gefahr für die Demokratie zu stilisiere­n ist absurd. Er nützt ein Vakuum, das andere politische Kräfte durch Absenz erzeugt haben, für seine Zwecke aus. Da mag es durchaus auch um die Vermarktun­g seines „Turbobiers“gehen. Aber dass Pogo keine politische Agenda habe, ist eine Unterstell­ung. Und dass er soziale Verantwort­ung zu tragen bereit ist, haben seine Aktivitäte­n zur Hebung der Impfquote unter Jugendlich­en bewiesen. Die Sorge des Van-der-Bellen-Lagers ist daher verständli­ch. Wenn ihn nur Grünnahe wählen, könnte es für den Amtsinhabe­r eine unliebsame Überraschu­ng geben. Aber bitte nicht das Ende der Demokratie heraufbesc­hwören, wenn Spaßkandid­aten aller Nuancierun­gen antreten. Denn: siehe ersten Satz.

JOSEF KALINA ist Inhaber der PR-Agentur Unique Relations und ehemaliger SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r.

Newspapers in German

Newspapers from Austria