Bei Hitze motivierter
Ich liebe die warme Jahreszeit, somit versuche ich im Sommer all das nachzuholen, wozu ich im Winter (der mich meistens deprimiert) nicht die Möglichkeit hatte. Schwimmen gehen, klettern, wandern, reisen, oder einfach nur eine zusätzliche Runde mit dem Hund gehen, die man bei Minusgraden gerne auslässt. Bei Hitze und Sonnenschein bin ich generell viel motivierter, neue Dinge auszuprobieren. Dieses Jahr ist es E-Gitarren-Unterricht.
Seit ich selbst schreibe, lese ich seltener als früher, einfach weil die Zeit oft nicht reicht und ich auch kritisch und wählerisch geworden bin, was meinen Lesestoff betrifft. Das ist der Nachteil des Schriftstellerdaseins – du kannst ein Buch nicht mehr ungezwungen lesen. Du bist ständig am Analysieren. Lieblingsgenres habe ich keine, ich lese quer durch die Bank. Egal ob Thriller, Roman oder ein Jugendbuch – wichtig ist, dass mich die Geschichte packt. Dabei lege ich weniger Wert darauf, ob mir die Charaktere sympathisch sind oder ich jede einzelne ihrer Handlungen nachempfinden kann. Ich möchte mit Menschen aus dem echten Leben konfrontiert werden, mit all ihren Ecken und Kanten, Stärken wie auch Schwächen. Authentizität und Tiefe sind mir am wichtigsten, Spannung oder unerwartete Wendungen sind zweitrangig. Für mich funktioniert Lesen nur zu Hause. Ich brauche dafür absolute Ruhe und eine vertraute Umgebung, um mich voll und ganz auf die Geschichte konzentrieren zu können. Zudem lese ich ausschließlich auf dem Sofa, niemals im Bett oder – Gott bewahre – in der Badewanne. Ich bin ein Gewohnheitsmensch und muss mich geborgen fühlen.
Ich schreibe, wenn mich der Flow gepackt hat, und das kann immer passieren. Im Ernstfall opfere ich gern einige schöne Sommerwochen, um ein Projekt fertigzustellen. Ich bin sehr zielgerichtet und fokussiert, kein Wetter kann schön genug sein, um mich vom Schreiben abzuhalten. Oftmals merke ich gar nicht, wie der Tag an mir vorbeizieht. Wenn ich schreibe, bin ich voll und ganz in meinem Element, es gibt dann nichts Wichtigeres mehr. Was auch ein Nachteil sein kann, wenn man zum Beispiel vergisst zu essen. Aber da ich eine sehr schnelle Schreiberin bin (auch wegen meines strikten Zeitplans), hält dieser Zustand nie länger als ein paar Wochen an – somit bleibt einem immer noch genug Sommer übrig.
Michaela Kastel war zunächst im Buchhandel tätig und widmet sich seit 2019 ausschließlich dem Schreiben. „So dunkel der Wald“wurde 2018 mit dem Viktor Crime Award ausgezeichnet. Die Verfilmung ist in Planung. Kastel lebt in Wien.