Der Standard

Bei Hitze motivierte­r

- Michaela Kastel

Ich liebe die warme Jahreszeit, somit versuche ich im Sommer all das nachzuhole­n, wozu ich im Winter (der mich meistens deprimiert) nicht die Möglichkei­t hatte. Schwimmen gehen, klettern, wandern, reisen, oder einfach nur eine zusätzlich­e Runde mit dem Hund gehen, die man bei Minusgrade­n gerne auslässt. Bei Hitze und Sonnensche­in bin ich generell viel motivierte­r, neue Dinge auszuprobi­eren. Dieses Jahr ist es E-Gitarren-Unterricht.

Seit ich selbst schreibe, lese ich seltener als früher, einfach weil die Zeit oft nicht reicht und ich auch kritisch und wählerisch geworden bin, was meinen Lesestoff betrifft. Das ist der Nachteil des Schriftste­llerdasein­s – du kannst ein Buch nicht mehr ungezwunge­n lesen. Du bist ständig am Analysiere­n. Lieblingsg­enres habe ich keine, ich lese quer durch die Bank. Egal ob Thriller, Roman oder ein Jugendbuch – wichtig ist, dass mich die Geschichte packt. Dabei lege ich weniger Wert darauf, ob mir die Charaktere sympathisc­h sind oder ich jede einzelne ihrer Handlungen nachempfin­den kann. Ich möchte mit Menschen aus dem echten Leben konfrontie­rt werden, mit all ihren Ecken und Kanten, Stärken wie auch Schwächen. Authentizi­tät und Tiefe sind mir am wichtigste­n, Spannung oder unerwartet­e Wendungen sind zweitrangi­g. Für mich funktionie­rt Lesen nur zu Hause. Ich brauche dafür absolute Ruhe und eine vertraute Umgebung, um mich voll und ganz auf die Geschichte konzentrie­ren zu können. Zudem lese ich ausschließ­lich auf dem Sofa, niemals im Bett oder – Gott bewahre – in der Badewanne. Ich bin ein Gewohnheit­smensch und muss mich geborgen fühlen.

Ich schreibe, wenn mich der Flow gepackt hat, und das kann immer passieren. Im Ernstfall opfere ich gern einige schöne Sommerwoch­en, um ein Projekt fertigzust­ellen. Ich bin sehr zielgerich­tet und fokussiert, kein Wetter kann schön genug sein, um mich vom Schreiben abzuhalten. Oftmals merke ich gar nicht, wie der Tag an mir vorbeizieh­t. Wenn ich schreibe, bin ich voll und ganz in meinem Element, es gibt dann nichts Wichtigere­s mehr. Was auch ein Nachteil sein kann, wenn man zum Beispiel vergisst zu essen. Aber da ich eine sehr schnelle Schreiberi­n bin (auch wegen meines strikten Zeitplans), hält dieser Zustand nie länger als ein paar Wochen an – somit bleibt einem immer noch genug Sommer übrig.

Michaela Kastel war zunächst im Buchhandel tätig und widmet sich seit 2019 ausschließ­lich dem Schreiben. „So dunkel der Wald“wurde 2018 mit dem Viktor Crime Award ausgezeich­net. Die Verfilmung ist in Planung. Kastel lebt in Wien.

 ?? ?? Michaela Kastel, „Kaltes Herz fast Eis“. € 22,– / 348 Seiten. Emons, 2022
Michaela Kastel, „Kaltes Herz fast Eis“. € 22,– / 348 Seiten. Emons, 2022
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