Mit der Queen übers Meer
Mein Sommer wird zweigeteilt sein. Weil ich im Herbst ein neues Buch herausbringe und auf Buchmessen und Festivals sein werde, heißt es im Sommer, viel Zeit an der Tastatur zu verbringen. Wenn es in der Wohnung mitten in der Stadt zu heiß wird, übersiedele ich samt Laptop und Notizbüchern gern in die Nationalbibliothek am Wiener Heldenplatz. Dort ist es angenehm kühl. Weiters gibt es dort, abgesehen vom Ausblick, kaum Ablenkung, weswegen ich mich an diesem Ort auf meine Geschichten konzentrieren kann. In dem altehrwürdigen Gebäude werde ich an meinen beiden Krimiserien weiterschreiben – am sechsten Teil der Reihe rund um Kriminalinspektor August Emmerich im Wien der 1920er-Jahre und an der neuen Felix-Blom-Reihe, die im späten 19. Jahrhundert in Berlin angesiedelt ist, einer Stadt, in der ich längere Zeit gelebt habe und die mir sehr ans Herz gewachsen ist.
Mit dem Wort Urlaub tue ich mir schwer, weil meine Arbeit immer in meinem Kopf herumspukt. Ich erfülle mir in diesem Sommer allerdings einen Traum, ich werde mit der legendären Queen Mary 2 vom britischen Southampton nach New York schippern und somit eine Woche lang auf hoher See verbringen. Auf meiner Reise habe ich vor, nichts zu schreiben, sondern lediglich zu lesen, zu schlafen, tagtzuräumen, aufs Meer zu starren und Ausschau nach den ersten Möwen vor der Freiheitsstatue zu halten. Auf meiner Leseliste steht unter anderem der dicke Wälzer Das unendliche Meer – Die große Weltgeschichte der Ozeane von David Abulafia, das als Wissenschaftsbuch 2022 ausgezeichnet wurde. Ich habe bereits hineingeschmökert, um eine kleine Ahnung davon zu bekommen, worauf ich mich bei meinem Ritt über den Großen Teich einlasse, denn diese Schiffsreise bedeutet für mich eine Herausforderung. Vor allem, wenn der Transatlantikliner jene Stelle passiert, an der die Titanic gesunken ist. Andere mögen bei der Queen Mary an Deck-Chairs, Captains-Dinner, Cary Grant, Marlene Dietrich oder den schlotternden Leo DiCaprio denken. Für mich allerdings ist das offene Meer ein unheimliches Mysterium. Sogar in Badeseen wage ich mich, wenn überhaupt, nur bis zu den Hüften ins Wasser. Man möge also meine Neugier darauf verstehen, wie nah ich mich an die Reling der Queen heranwagen werde. Wahrscheinlich Tag für Tag ein bisschen näher.
Daniela Larcher ist Autorin und veröffentlicht auch unter dem Pseudonym Alex Beer. Ihre Kriminalromane wurden bereits vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Österreichischen Krimipreis oder dem Leo-Perutz-Preis.