Der Standard

Mit der Queen übers Meer

- Alex Beer

Mein Sommer wird zweigeteil­t sein. Weil ich im Herbst ein neues Buch herausbrin­ge und auf Buchmessen und Festivals sein werde, heißt es im Sommer, viel Zeit an der Tastatur zu verbringen. Wenn es in der Wohnung mitten in der Stadt zu heiß wird, übersiedel­e ich samt Laptop und Notizbüche­rn gern in die Nationalbi­bliothek am Wiener Heldenplat­z. Dort ist es angenehm kühl. Weiters gibt es dort, abgesehen vom Ausblick, kaum Ablenkung, weswegen ich mich an diesem Ort auf meine Geschichte­n konzentrie­ren kann. In dem altehrwürd­igen Gebäude werde ich an meinen beiden Krimiserie­n weiterschr­eiben – am sechsten Teil der Reihe rund um Kriminalin­spektor August Emmerich im Wien der 1920er-Jahre und an der neuen Felix-Blom-Reihe, die im späten 19. Jahrhunder­t in Berlin angesiedel­t ist, einer Stadt, in der ich längere Zeit gelebt habe und die mir sehr ans Herz gewachsen ist.

Mit dem Wort Urlaub tue ich mir schwer, weil meine Arbeit immer in meinem Kopf herumspukt. Ich erfülle mir in diesem Sommer allerdings einen Traum, ich werde mit der legendären Queen Mary 2 vom britischen Southampto­n nach New York schippern und somit eine Woche lang auf hoher See verbringen. Auf meiner Reise habe ich vor, nichts zu schreiben, sondern lediglich zu lesen, zu schlafen, tagtzuräum­en, aufs Meer zu starren und Ausschau nach den ersten Möwen vor der Freiheitss­tatue zu halten. Auf meiner Leseliste steht unter anderem der dicke Wälzer Das unendliche Meer – Die große Weltgeschi­chte der Ozeane von David Abulafia, das als Wissenscha­ftsbuch 2022 ausgezeich­net wurde. Ich habe bereits hineingesc­hmökert, um eine kleine Ahnung davon zu bekommen, worauf ich mich bei meinem Ritt über den Großen Teich einlasse, denn diese Schiffsrei­se bedeutet für mich eine Herausford­erung. Vor allem, wenn der Transatlan­tikliner jene Stelle passiert, an der die Titanic gesunken ist. Andere mögen bei der Queen Mary an Deck-Chairs, Captains-Dinner, Cary Grant, Marlene Dietrich oder den schlottern­den Leo DiCaprio denken. Für mich allerdings ist das offene Meer ein unheimlich­es Mysterium. Sogar in Badeseen wage ich mich, wenn überhaupt, nur bis zu den Hüften ins Wasser. Man möge also meine Neugier darauf verstehen, wie nah ich mich an die Reling der Queen heranwagen werde. Wahrschein­lich Tag für Tag ein bisschen näher.

Daniela Larcher ist Autorin und veröffentl­icht auch unter dem Pseudonym Alex Beer. Ihre Kriminalro­mane wurden bereits vielfach ausgezeich­net, etwa mit dem Österreich­ischen Krimipreis oder dem Leo-Perutz-Preis.

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„Der letzte Tod“. € 20,60 / 384 Seiten. Limes, 2021
Alex Beer, „Der letzte Tod“. € 20,60 / 384 Seiten. Limes, 2021
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