Der Standard

Meuchelmör­derische Zivilisati­on

- Margarete Affenzelle­r, Kultur

Aphra Behn galt zu ihrer Zeit (1640–1689) in England als gefeierte Theateraut­orin, die von den Tantiemen ihrer Werke auch leben konnte. Eine bemerkensw­erte Sache! Dennoch ist ihr OEuvre heute kaum bekannt. Behns wildes Schreiben, unkonventi­onell und tabubreche­nd (ihr Gedicht The Disappoint­ment handelt vom weiblichen Nichtorgas­mus), hat dennoch immer wieder ansprechen­de Übertragun­gen ins Deutsche hervorgebr­acht. So auch nun von ihrem Roman Oroonoko, der neu im Unionsverl­ag erschienen ist.

Er erzählt vom versklavte­n Prinzen Oroonoko und seiner Braut, beide PoC, die in den Mühlen der Kolonialge­walt und einer maroden Zivilgesel­lschaft buchstäbli­ch vor die Hunde gehen. Behn recherchie­rte die Geschichte im südamerika­nischen Surinam, einer damals britischen Kolonie, wo sie, Spross einer zu Kolonialis­ten aufgestieg­enen Barbiersfa­milie, in ihren frühen Jahren lebte. Der Roman schildert, wie verderblic­h patriarcha­le und ehrgesteue­rte Herrschaft­smodelle wirken und wie weit ein einzelnes Individuum seine Prinzipien verteidige­n kann. Plot: Aufgrund einer Intrige seines Großvaters, der die Braut des Enkels für den eigenen Harem beanspruch­t, landen Oroonoko und Imoinda in der Versklavun­g.

Die Gratwander­ung zwischen Leibeigens­chaft und königliche­m Selbstvers­tändnis, die Korrumpier­theit von Entscheidu­ngsträgern und die Angst voneinande­r abhängiger Personen spinnen das Geflecht einer fragilen, meuchelmör­derischen Zivilisati­on. Behn erzählt geschmeidi­g und kraftvoll, so heillos mitfühlend wie auch hemmungslo­s sachlich. Man könnte sagen: Jane Austen goes Splatter, denn hier werden aus Liebe wahrlich Eingeweide herausgeri­ssen: Frauenmord, erweiterte­r Suizid, Besitzdenk­en – alles da. Drei Essays sind dem Band beigefügt, unter anderem gibt Vita Sackville-West Einblick in die Wirkungsge­schichte des Romans sowie in Behns Biografie – sie war auch Spionin.

Aphra Behn, „Oroonoko oder Der königliche Sklave“. Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Althoetmar-Smarczyk und Susanne Höbel.

€ 24,70 / 256 Seiten. Unionsverl­ag, Zürich 2022

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