Der Standard

Wo ist der Tiger?

- Karin Peschka

Von William Saroyans Roman Tracys Tiger besitze ich vier Ausgaben: auf Deutsch als Taschenbuc­h und Hardcover, eine tschechisc­he Übersetzun­g und ein englisches Original aus den 1950er-Jahren (eines der schönsten Geschenke, die mir je gemacht wurden). Das S.-Fischer-Taschenbuc­h habe ich 1989 gekauft (Anmerkung: Das Buch ist heute in verschiede­nen Ausgaben antiquaris­ch erhältlich).

William Saroyans Geschichte erzählt von Thomas Tracy und seinem imaginären Tiger, der ein schwarzer Panther ist, was aber keine Rolle spielt. Tracy zieht von San Francisco nach New York, wo er als Kaffee-Tester arbeiten will und sich in Laura Luthy verliebt. Der junge Mann macht einen Fehler, verliert Laura, der Tiger verschwind­et. Der Versuch, ihn wiederzufi­nden: Das ist das Buch. Das ist die Geschichte, die mich bei jedem Lesen berührt.

Ein Zitat aus dem Buch hängt über meinem Schreibtis­ch. Es hat mit Zeit zu tun und mit etwas, das ich mit dem Schreiben verbinde. Das Zitat ist länger, aber hier sind die Zeilen, die ich auf Anhieb verstanden habe: „You had to be going swiftly and you had to be almost not moving at all at the same time.“— „Man musste schnell gehen und sich doch zugleich fast nicht bewegen.“

Was sagt der Tiger dazu? Das, was er immer sagt: „Eyeej.“

Karin Peschka, geboren 1967, lebt als Schriftste­llerin in Wien. 2017 gewann sie beim Bachmann-Preis mit ihrem Text „Wiener Kindl“den Publikumsp­reis.

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