Der Standard

Brise mit Surprise

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Reet (auch Reeth, Reth, Reith, Ried, Riet und Ähnliches) kommt aus dem Mittelhoch­deutschen, bezeichnet das an Ufern oder sumpfigem Gelände wachsende Schilfrohr. Dieses „Röhricht“wird vielerorts in getrocknet­em Zustand zur Dacheindec­kung verwendet. In früheren Zeiten diente das Schilfrohr zu vielen ähnlichen Zwecken, so etwa zum Besticken neuer Deiche mit der Deichnadel. Mit Reet gedeckte Häuser werden als Reethaus bzw. Reethus oder Reetdachha­us bezeichnet. Das Handwerk der Reetdachde­ckerei wurde vom Land Mecklenbur­g-Vorpommern als immateriel­les Kulturerbe eingereich­t und 2014 von der Unesco als solches bestätigt. Diese historisch­e Form der Dächer prägt die Optik eines großen Teils der so auf wundersame Weise mit der Landschaft eins werdenden Häuser auf Sylt. Zwischen Dünen, Heide und Meer baut der Mensch dergestalt Brücken. Eine wunderbare Überraschu­ng präsentier­en uns Regina Stahl und Brita Sönnichsen. Sie porträtier­en in ihrem perfekt und sensibel durchkompo­nierten Album Sylt mit Stil eine erlesene Auswahl an Refugien am nördlichst­en Sehnsuchts­ort Deutschlan­ds. Besonderes Augenmerk legen sie auf revitalisi­erte, vor dem Verfall, dem Abriss, dem Untergang gerettete historisch­e Häuser, die dank Facelifts eine gelungene Melange aus Alt und Neu darstellen. Kunst und Natur erleben oft eine neue Einheit, sofern mit Bedacht und Sorgfalt an die Sache herangegan­gen wurde. Das Buch erzählt also von Menschen, die hier ihren inneren Frieden gefunden haben, von Bauherren, von Künstlern, Mäzenen, von Pferdenarr­en und Schafzücht­ern. Immer präsent ist diese eigenwilli­ge Aura des Entrückten, die einen erfasst, wenn man zwischen Wattenmeer und Sanddünen versinkt. Inspiriere­nd ... Gregor Auenhammer

Regina Stahl & Brita Sönnichsen, „Sylt mit Stil. Wohnen und Leben auf der Lieblingsi­nsel“. € 46,– / 194 S. Callwey, 2022

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