Der Standard

Dem eigenen Pass treu geblieben

Die Diskussion über die Staatsbürg­erschaft ist auch eine über ein größer werdendes Demokratie­defizit. Dabei geht es nicht nur um jene Menschen, die keinen Pass bekommen. Viele verzichten auch darauf.

- Sebastian Fellner, Jan Michael Marchart, Martin Tschiderer

Die Diskussion über die Staatsbürg­erschaft nimmt derzeit aus zweierlei Gründen wieder an Fahrt auf. Zum einen bleibt vielen Menschen der österreich­ische Pass wegen hoher Hürden verwehrt. Nicht selten sind davon auch Kinder betroffen, die zwar hierzuland­e geboren sind, deren Eltern aber zu wenig Geld zum Leben übrigbleib­t. Zum anderen wird das Demokratie­defizit in Österreich immer größer. Ein Drittel aller Wienerinne­n und Wiener beispielsw­eise kann aufgrund fremder Staatsbürg­erschaft weder an Wahlen noch an Volksabsti­mmungen teilnehmen. In knapp zwei Jahrzehnte­n hat sich dieser Wert in Wien fast verdoppelt.

Wunsch biografiea­bhängig

Wie sich zeigt, geht es in dieser Diskussion aber nicht nur um Menschen, die aus unterschie­dlichen Gründen keine österreich­ische Staatsbürg­erschaft bekommen. Der Wunsch danach ist je nach Migrations­biografie auch unterschie­dlich stark ausgeprägt. Das geht aus einer Studie der Stadt Wien aus dem verNachtei­le gangenen Jahr hervor. Demnach sind es vor allem Menschen aus Drittstaat­en, die einen österreich­ischen Pass anstreben. Als Gründe dafür wurden auch häufig Flucht vor Verfolgung und Krieg genannt.

In etwa gleich hoch liegt das Interesse an der Staatsbürg­erschaft bei Befragten aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawie­n – nämlich bei rund 50 Prozent.

Erwartbar niedrig ist dieser Wert unter Unionsbürg­ern. Das hat auch damit zu tun, dass diese im Vergleich zu Drittstaat­sangehörig­en keine im Bezug auf Freizügigk­eit, Gleichbeha­ndlung und Aufenthalt­ssicherhei­t haben. Der STANDARD hat mit vier Personen darüber gesprochen, warum sie die österreich­ische Staatsbürg­erschaft nicht anstreben bzw. ihnen diese wegen einer anderen aberkannt wurde.

Keinen Erfolg brachte hingegen die Recherche über illegale österreich­isch-türkische Doppelstaa­tsbürger. Sowohl von Anwälten als auch aus der türkischen Community ist zu hören, dass Betroffene nicht mit Medien sprechen wollen.

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derStandar­d Quelle: Forschungs­bericht erstellt im Rahmen der Kommission für Migration und Integratio­n der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften, finanziell unterstütz­t durch die Stadt Wien | August 2021

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