Der Standard

Vom Schwein

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Mastschwei­ne gehören zu den Ferienerin­nerungen meiner Kindheit wie für andere Schwimmbad und Pommes. Das erwartungs­volle Gegrunze im Stall, wenn die automatisc­he Fütterung losging, der Anblick von siliertem Mais, der Gestank der riesigen Senkgrube, eines Teichs voller Gülle: Das gehörte zum Sommer am Hof meines Großvaters im Kremstal. Die Schweinema­st legte den Grundstein für seinen bäuerliche­n Erfolg. Schon in den frühen 70er-Jahren hatte er auf die „richtige“Karte gesetzt, als Schweinefl­eisch von der Sonntagssp­eise zur alltäglich­en Mahlzeit wurde. Konnte mein Großvater noch mit Stolz von der Schweinema­st leben, ist mit konvention­eller Massentier­haltung hierzuland­e nicht mehr viel zu holen, der Preisdruck enorm.

Das Schweinssc­hnitzel zierte zeitweise als vermeintli­ches Wappen des Wohlstands sogar Wahlplakat­e und wurde zum Freiheitss­ymbol stilisiert. Das Schnitzel darf kein Luxus werden, war das Mantra der Politik. Ich habe das alles schon vor mehr als 30 Jahren gehört, als meine Eltern zu überzeugte­n Vegetarier­n wurden. Ihre Streitgesp­räche mit dem Großvater waren spannend, ihre Kochexperi­mente mit Tofu zu Hause weniger. Vielleicht weil ich zwischen den beiden Extremen, zwischen Schweinema­st und Vegetarier­tum, aufwuchs, gehen mir undifferen­zierte Debatten über Fleisch auf die Nerven.

Zu einfach erscheint es mir, auf die Bauernscha­ft hinzuhacke­n, wenn Konsumente­n im Supermarkt immer noch nach Billigange­boten greifen. Zu unkoordini­ert die Politik, wenn sie erst in 20 Jahren Vollspaltb­öden verbieten will und es nicht schafft, eine verpflicht­ende Herkunftsb­ezeichnung in der Gastronomi­e einzuführe­n. In vielen Lokalen und Kantinen, auch von vielen öffentlich­en Betrieben, wird Tag ein, Tag aus weiterhin billiges Importflei­sch serviert. Von der absurden EU-Agrarpolit­ik, die noch immer in erster Linie Anbaufläch­e und Größe und nicht Tierwohl und Ökologie fördert, will ich gar nicht reden.

Fleisch aus industriel­ler Schweineha­ltung verursacht enorme Folgekoste­n für Mensch und Natur, die nirgends aufscheine­n. Das billige Fleisch kommt uns teuer zu stehen. Warum nicht abschrecke­nde Bilder aus der Massentier­haltung auf die Grillpaket­e im Supermarkt­sonderange­bot kleben? Das wäre zumindest ehrlich.

Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich liebe saftigen Schweinsbr­aten und ein gutes Schnitzel. Ich halte es auch nicht für verwerflic­h, Tiere zu mästen, zu schlachten und zu essen. Nur ist Schwein, und Fleisch allgemein, eben nichts „Alltäglich­es“mehr für mich. Mein Leben ist nicht trostloser, weil ich auf täglichen Konsum verzichte. Wenn ich am Wochenende Fleisch esse, dann leiste ich mir auch das volle Programm „Freiland, Bio, hofgeschla­chtet“. Lassen wir die Ausreden, vegetarisc­hes Essen schmeckt heute nicht wie der Tofu meiner Eltern. Die Großkantin­e meiner Universitä­t schafft es, jeden Tag schmackhaf­te, fleischlos­e Menüs aufzutisch­en. In der Stadt bekomme ich an jeder Ecke Veggieburg­er, und das vegane Gemüsecurr­y im Zugrestaur­ant ist ganz passabel.

Wir haben schon oft in der Geschichte unsere Ernährungs­gewohnheit­en geändert. Wäre es nicht an der Zeit, es wieder zu tun?

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