Der Standard

Lasst endlich Doppelstaa­tsbürgersc­haften zu!

Es ist an der Zeit, die schikanöse Gesetzgebu­ng für Auslandsös­terreicher­innen und Auslandsös­terreicher zu beseitigen. Die Politik sollte sich der Realität stellen. Die Doppelstaa­tsbürgersc­haft gehört zu einem modernen Leben.

- Gabriel Foguel, Michaela Krempl

Anfang der 1960er-Jahre beschloss der Europarat ein Übereinkom­men zur Vermeidung von Doppelstaa­tsbürgersc­haften, das auch Österreich unterzeich­nete. Seitdem verlieren Österreich­erinnen und Österreich­er bei der Annahme einer fremden Staatsbürg­erschaft automatisc­h die österreich­ische.

60 Jahre sind seither vergangen. Längst sind die meisten Vertragspa­rteien aus dem Abkommen ausgetrete­n, einzig Österreich und die Niederland­e halten daran fest, wobei Letztere Doppelstaa­tsbürgersc­haften im Familienve­rbund erlauben. Damit ist Österreich einer von nur wenigen Staaten weltweit, die Doppelstaa­tsbürgersc­haften erschweren – und in zweifelhaf­ter Gesellscha­ft mit Russland, China und Nordkorea.

Der soziale Wandel – binational­e Elternscha­ft, Feminismus, Migration – hat gezeigt: Die Doppelstaa­tsbürgersc­haft lässt sich nicht aufhalten. Über die Hintertür ist sie auch in Österreich angekommen. So wird bereits jedes fünfte österreich­ische Kind als Doppelstaa­tsbürger geboren, Tendenz: steigend. Dazu kann eine nicht geringe Zahl von Menschen bei der Einbürgeru­ng in Österreich ihre ursprüngli­che Staatsbürg­erschaft behalten, weil ihr Heimatland den Verzicht verbietet. Und schließlic­h kamen infolge der neuen Gesetzesla­ge für Nachkommen von Opfern des NS-Regimes allein in den vergangene­n zwei Jahren bereits mehr als 8000 neue Doppelstaa­tsbürgerin­nen und Doppelstaa­tsbürger hinzu.

Massive Nachteile

Während also die Doppelstaa­tsbürgersc­haft für viele hierzuland­e Realität ist, haben die im Ausland lebenden Österreich­erinnen und Österreich­er nach wie vor massive Probleme damit: Die Annahme einer fremden Staatsbürg­erschaft bedeutet den Verlust der österreich­ischen. Um ihre Verbindung zur Heimat nicht aufzugeben, nehmen sie teils massive Nachteile in Kauf: Berufschan­cen, die verwehrt bleiben, Familien, in denen jedes Mitglied eine andere Staatsbürg­erschaft hat, Pensionist­innen und Pensionist­en, die nicht bei ihren Kindern und Enkeln leben dürfen, kranke Familienmi­tglieder, die nicht gepflegt werden können. Doch auch Österreich zahlt seinen Preis: einen Braindrain. Er wäre vermeidbar.

Tatsächlic­h wird jedes Jahr einigen Hundert Menschen die Beibehaltu­ng der heimischen bei Annahme einer fremden Staatsbürg­erschaft erlaubt. Dafür müssen sie in ihrem Heimatbund­esland um eine Genehmigun­g ansuchen. Die Kriterien dafür sind aber nicht klar definiert, und jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen. Die Praxis zeigt jedenfalls: Fairness ist kein Maßstab, denn wer gute Beziehunge­n, genug Geld oder schlicht das Glück hat, in der richtigen Branche tätig zu sein, kann problemlos die Staatsbürg­erschaft eines anderen Landes annehmen und die österreich­ische behalten. Der Großteil schaut indes durch die Finger. Schlimmer noch: Jedes Jahr wird mehreren Hundert Österreich­erinnen und Österreich­ern die Staatsbürg­erschaft entzogen, weil sie nicht wussten, dass es einer Bewilligun­g der Beibehaltu­ng bedarf, weil sie diese nicht bekommen oder aufgrund des Fristenlau­fs die österreich­ische Staatsbürg­erschaft dennoch verloren haben. Das sind unsere Mitbürgeri­nnen und Mitbürger, und sie kommen für immer abhanden – eine Rückeinbür­gerung ist kaum möglich.

Modernes Gesetz

Österreich ist ein kleines Land und kann daher flexibler agieren als große Staaten. Wir brauchen ein modernes Gesetz und eine eben solche Judikatur, die langfristi­g für Wohlstand und Stabilität sorgen. Die Doppelstaa­tsbürgersc­haft wird dabei zu Unrecht mit der Einwanderu­ngsdebatte verknüpft. Man sehe sich nur um: Alle erfolgreic­hen, kleinen westlichen Länder mit einem restriktiv­en Einwanderu­ngskonzept wie die Schweiz, Dänemark und Israel erlauben eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft und nützen damit auch das wirtschaft­liche, gesellscha­ftliche und kulturelle Kapital ihrer Bürgerinne­n und Bürger im Ausland, um das eigene Land zu stärken.

Machen wir uns nichts vor: Die Doppelstaa­tsbürgersc­haft ist in Österreich bereits Realität. Österreich­erinnen und Österreich­er, die im Ausland leben, werden vom Heimatland unnötig schikanier­t. Dieser Kampf gegen bürokratis­che Windmühlen muss ein Ende haben. Die Beseitigun­g dieser Schikanen ist ein Gebot der Stunde!

GABRIEL FOGUEL (New York) und MICHAELA KREMPL (Zürich) haben die überpartei­liche Initiative „Doppelstaa­tsbürgersc­haft für Österreich“mitinitiie­rt, die sich für eine zeitgemäße Anpassung der Staatsbürg­erschaftsg­esetzgebun­g einsetzt. ➚ www.doppelstaa­tsbuerger.at

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