ÖVP steht zur Fristenlösung
Bischof Glettler warnt davor, „über Frauen zu urteilen“
Wien – Nach dem Kippen des Abtreibungsrechts in den USA stellt man in der ÖVP die österreichische Fristenlösung nicht infrage. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) plädiert aber für mehr Beratung von schwangeren Frauen. Auch die frühere ÖVPFrauenministerin Maria Rauch-Kallat stellt klar, dass „man in der ÖVP nicht an der Fristenlösung rütteln will“. Und der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler warnt: „Es ist weder Anlass für Applaus noch für aggressive Gegenreaktionen. Schon gar nicht steht es uns zu, über Frauen zu urteilen, die einen Schwangerschaftsabbruch gemacht haben. (red)
In den USA hat der Supreme Court am Freitag das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt. Damit können die Bundesstaaten wieder selbst entscheiden, wie sie mit Schwangerschaftsabbrüchen umgehen. In einigen Bundesstaaten sind Abbrüche damit jetzt schon verboten, insgesamt wird in der Hälfte mit schweren Einschränkungen gerechnet.
Aber: Auch in Österreich gibt es kein „Recht auf Abtreibung“. Im Gegenteil: Schwangerschaftsabbrüche sind grundsätzlich bis heute illegal. Sie wurden nur mit der 1975 eingeführten Fristenregelung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei gestellt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Abtreibung auch danach noch straffrei möglich.
Forderungen, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu nehmen, waren über die Jahrzehnte immer wieder aufgekommen – aber nicht erfolgreich. Die bald 50 Jahre alte Fristenregelung ist damit bis heute gültig. Eingeführt wurde sie von der SPÖ, die damals über eine absolute Mehrheit im Nationalrat verfügte. ÖVP und FPÖ stimmten dagegen, insbesondere aus der katholisch geprägten Volkspartei gab es massive Widerstände gegen die Regelung, ebenso aus Kirchenkreisen. Aber wie stehen deren Vertreter heute zum Thema?
Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) übt keine Kritik an der Fristenlösung. „Fragen der Abtreibung „gehören in einer Demokratie in die Hände der Bürgerinnen und Bürger bzw. der Parlamente“, schreibt sie in einer Stellungnahme. Situationen, in denen Frauen zu illegalen Abtreibungen gezwungen würden, seien „klar abzulehnen“. Wichtig wäre, „dass es eine Reihe von niederschwelligen Angeboten zur Aufklärung und anonymen Beratung in Österreich gibt“.
Auch für die frühere Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) ist klar, dass man in der ÖVP nicht an der Fristenlösung rütteln wolle. Ebenso sieht sie flankierende Maßnahmen, insbesondere Beratung über Empfängnisverhütung für junge Frauen, als besonders wichtig an. Initiativen, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu nehmen, gibt Rauch-Kallat wenige Chancen: Keine der Parteien würde dieses Thema „ohne Not angreifen wollen“. Würde das Thema aufgemacht, könnte daraus wieder eine größere Debatte folgen, an deren Ende auch Verschlechterungen für Frauen stehen könnten, meint die einstige Ministerin.
Für Rosa Ecker, Frauensprecherin der FPÖ, seien Abtreibungen „nach wie vor ein sehr sensibles Thema“. Mit der bestehenden Lösung sei man bisher „ganz gut gefahren“. Es sei wichtig, dass Frauen sich nicht strafbar machen, „weil es natürlich oft Gründe gibt, dass es zu dieser Entscheidung kommt“. Diese solle aber sehr sorgfältig getroffen werden. Auch Ecker tritt deshalb für mehr Beratung vor einem Abbruch ein.
Kirche hofft auf Dialog
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, innerhalb der heimischen Bischofskonferenz zuständig für den Bereich Familie, merkt im Standard-Gespräch an, dass das US-Urteil eine juristische Entscheidung sei, keine ethische: „Jetzt sind die Bundesstaaten am Zug, gesetzliche Regelungen zu schaffen. Das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes, dass aus der amerikanischen Verfassung kein Grundrecht auf Abtreibung abzuleiten ist, hat Klarheit geschaffen.“
Den Applaus aus dem Vatikan will er nicht hören: „Es ist weder Anlass für Applaus noch für aggressive Gegenreaktionen. Schon gar nicht steht es uns zu, über Frauen zu urteilen, die einen Schwangerschaftsabbruch gemacht haben.“Er hoffe, dass man in diesem höchst sensiblen Thema zu einer Kultur des Dialogs komme: „Ich weiß aus seelsorglichen Gesprächen, dass eine Abtreibung für die meisten ein Leben lang ein Thema bleibt – unabhängig von der religiösen Einstellung.“