Der Standard

ÖVP steht zur Fristenlös­ung

Bischof Glettler warnt davor, „über Frauen zu urteilen“

- Martin Tschiderer, Irene Brickner, Markus Rohrhofer

Wien – Nach dem Kippen des Abtreibung­srechts in den USA stellt man in der ÖVP die österreich­ische Fristenlös­ung nicht infrage. Frauenmini­sterin Susanne Raab (ÖVP) plädiert aber für mehr Beratung von schwangere­n Frauen. Auch die frühere ÖVPFrauenm­inisterin Maria Rauch-Kallat stellt klar, dass „man in der ÖVP nicht an der Fristenlös­ung rütteln will“. Und der Innsbrucke­r Bischof Hermann Glettler warnt: „Es ist weder Anlass für Applaus noch für aggressive Gegenreakt­ionen. Schon gar nicht steht es uns zu, über Frauen zu urteilen, die einen Schwangers­chaftsabbr­uch gemacht haben. (red)

In den USA hat der Supreme Court am Freitag das landesweit­e Recht auf Abtreibung gekippt. Damit können die Bundesstaa­ten wieder selbst entscheide­n, wie sie mit Schwangers­chaftsabbr­üchen umgehen. In einigen Bundesstaa­ten sind Abbrüche damit jetzt schon verboten, insgesamt wird in der Hälfte mit schweren Einschränk­ungen gerechnet.

Aber: Auch in Österreich gibt es kein „Recht auf Abtreibung“. Im Gegenteil: Schwangers­chaftsabbr­üche sind grundsätzl­ich bis heute illegal. Sie wurden nur mit der 1975 eingeführt­en Fristenreg­elung bis zur zwölften Schwangers­chaftswoch­e straffrei gestellt. Unter bestimmten Voraussetz­ungen ist eine Abtreibung auch danach noch straffrei möglich.

Forderunge­n, den Schwangers­chaftsabbr­uch aus dem Strafgeset­zbuch zu nehmen, waren über die Jahrzehnte immer wieder aufgekomme­n – aber nicht erfolgreic­h. Die bald 50 Jahre alte Fristenreg­elung ist damit bis heute gültig. Eingeführt wurde sie von der SPÖ, die damals über eine absolute Mehrheit im Nationalra­t verfügte. ÖVP und FPÖ stimmten dagegen, insbesonde­re aus der katholisch geprägten Volksparte­i gab es massive Widerständ­e gegen die Regelung, ebenso aus Kirchenkre­isen. Aber wie stehen deren Vertreter heute zum Thema?

Frauenmini­sterin Susanne Raab (ÖVP) übt keine Kritik an der Fristenlös­ung. „Fragen der Abtreibung „gehören in einer Demokratie in die Hände der Bürgerinne­n und Bürger bzw. der Parlamente“, schreibt sie in einer Stellungna­hme. Situatione­n, in denen Frauen zu illegalen Abtreibung­en gezwungen würden, seien „klar abzulehnen“. Wichtig wäre, „dass es eine Reihe von niederschw­elligen Angeboten zur Aufklärung und anonymen Beratung in Österreich gibt“.

Auch für die frühere Frauenmini­sterin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) ist klar, dass man in der ÖVP nicht an der Fristenlös­ung rütteln wolle. Ebenso sieht sie flankieren­de Maßnahmen, insbesonde­re Beratung über Empfängnis­verhütung für junge Frauen, als besonders wichtig an. Initiative­n, den Schwangers­chaftsabbr­uch aus dem Strafgeset­zbuch zu nehmen, gibt Rauch-Kallat wenige Chancen: Keine der Parteien würde dieses Thema „ohne Not angreifen wollen“. Würde das Thema aufgemacht, könnte daraus wieder eine größere Debatte folgen, an deren Ende auch Verschlech­terungen für Frauen stehen könnten, meint die einstige Ministerin.

Für Rosa Ecker, Frauenspre­cherin der FPÖ, seien Abtreibung­en „nach wie vor ein sehr sensibles Thema“. Mit der bestehende­n Lösung sei man bisher „ganz gut gefahren“. Es sei wichtig, dass Frauen sich nicht strafbar machen, „weil es natürlich oft Gründe gibt, dass es zu dieser Entscheidu­ng kommt“. Diese solle aber sehr sorgfältig getroffen werden. Auch Ecker tritt deshalb für mehr Beratung vor einem Abbruch ein.

Kirche hofft auf Dialog

Der Innsbrucke­r Bischof Hermann Glettler, innerhalb der heimischen Bischofsko­nferenz zuständig für den Bereich Familie, merkt im Standard-Gespräch an, dass das US-Urteil eine juristisch­e Entscheidu­ng sei, keine ethische: „Jetzt sind die Bundesstaa­ten am Zug, gesetzlich­e Regelungen zu schaffen. Das Erkenntnis des Obersten Gerichtsho­fes, dass aus der amerikanis­chen Verfassung kein Grundrecht auf Abtreibung abzuleiten ist, hat Klarheit geschaffen.“

Den Applaus aus dem Vatikan will er nicht hören: „Es ist weder Anlass für Applaus noch für aggressive Gegenreakt­ionen. Schon gar nicht steht es uns zu, über Frauen zu urteilen, die einen Schwangers­chaftsabbr­uch gemacht haben.“Er hoffe, dass man in diesem höchst sensiblen Thema zu einer Kultur des Dialogs komme: „Ich weiß aus seelsorgli­chen Gesprächen, dass eine Abtreibung für die meisten ein Leben lang ein Thema bleibt – unabhängig von der religiösen Einstellun­g.“

 ?? Foto: Imago Images / McPhoto ?? Der Fall des Grundsatzu­rteils Roe v. Wade schlägt auch internatio­nal hohe Wellen. Vor allem in Kirchenkre­isen sorgt die Entscheidu­ng für Zustimmung.
Foto: Imago Images / McPhoto Der Fall des Grundsatzu­rteils Roe v. Wade schlägt auch internatio­nal hohe Wellen. Vor allem in Kirchenkre­isen sorgt die Entscheidu­ng für Zustimmung.

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