Der Standard

Scheinbare Sorglosigk­eit im Kreis der G7

Industriel­änder für Boykott russischen Goldes Gemeinsame EU-Gasbeschaf­fung wackelt

- Birgit Baumann aus Garmisch-Partenkirc­hen

Wien – Nach Kohle und Erdöl sollen laut Plänen der sieben wichtigste­n Industriel­änder (G7) bald auch Goldimport­e aus Russland unterbunde­n werden. Das Edelmetall ist nach den Energieträ­gern wichtigste­s Exportgut, mit dem Russland im Vorjahr umgerechne­t 14,7 Milliarden Euro erlöst hat. Zudem bastelt die G7 an einem Mechanismu­s, der Moskau dazu zwingen soll, Erdöl an Drittstaat­en zu einem künstlich tiefen Preis zu verkaufen. Damit soll der Preisauftr­ieb am Weltmarkt für Erdöl gedrosselt werden. Zudem sollen Russland dadurch niedrigere Erlöse aus Ölexporten zufließen.

Der geplante gemeinscha­ftliche Einkauf von Gas in der EU gestaltet sich schwierig. Experten bezweifeln, dass sich das Vorhaben noch heuer realisiere­n lässt. (red)

Mit der Demo am Montag gegen den G7-Gipfel war Lisa Poettinger nicht zufrieden. „Ich finde, das ist ein Unding, und ich möchte nicht kooperiere­n“, sagte die Sprecherin des Bündnisses „Stopp G7 Elmau“. Eigentlich hatten sie und andere Aktivistin­nen und Aktivsten vorgehabt, ihren Protest vor dem Schloss Elmau zu zeigen und dafür zum Quartier für die G7Staatsun­d Regierungs­chefs zu wandern. Doch das Landratsam­t Garmisch-Partenkirc­hen hatte dies untersagt und nur eine Alternativ­e angeboten: In Bussen und mit Polizeiesk­orte nur bis 500 Meter vor das Schloss – oder gar nicht. Nach einigen Diskussion­en schließlic­h akzeptiert­en dies die Demonstran­tinnen und Demonstran­ten. Zwar sehen sie darin eine nicht zulässige Einschränk­ung des Versammlun­gsrechts. Doch protestier­en wollen sie auch.

Locker ging es derweil zunächst im Schlossber­eich selbst zu. Die Gäste des deutschen Bundeskanz­lers Olaf Scholz (SPD) versammelt­en sich zum Gruppenfot­o vor jener Holzbank, die beim Gipfel 2015 weltberühm­t wurde. Damals saß US-Präsident Barack Obama lässig auf der Sitzgelege­nheit, Kanzlerin Angela Merkel stand vor ihm und breitete ihre Arme weit aus – was zu zahlreiche­n Spekulatio­nen über den Gesprächsi­nhalt geführt hatte.

Beharrlich­e Bekenntnis­se

Von US-Präsident Joe Biden und Scholz sind derartige Bilder nicht überliefer­t. Aber die beiden vermittelt­en bei den Presseterm­inen, sich gut zu verstehen. Beschlosse­n wurden weitere Strafmaßna­hmen gegen Moskau. Im Mittelpunk­t sollten dabei die Rüstungsin­dustrie und der Technologi­esektor stehen. Angesichts des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine hat die G7 der Ukraine auch weitere Unterstütz­ung zugesagt: „Wir werden weiterhin finanziell­e, humanitäre, militärisc­he und diplomatis­che Unterstütz­ung leisten und stehen so lange wie nötig an der Seite der Ukraine“, wird in einem Statement betont.

Außerdem einigte man sich darauf, Einnahmen aus erhöhten Zöllen auf russische Exporte als Finanzhilf­e an die Ukraine weiterzule­iten. Neue Zölle auf russische Waren sollten genutzt werden, „der Ukraine zu helfen und sicherzust­ellen, dass Russland den Preis für seinen Krieg zahlt“, erklärte die US-Regierung. Diskutiert wurde am Montag noch das Vorhaben der USA, eine weltweite Preisoberg­renze für den Kauf russischen Öls festzulege­n.

Am Montag war auch der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj zum Gipfel zugeschalt­et. Er bat erneut um umfassende Hilfen für sein Land und drängte auf die Lieferung von Luftabwehr­systemen. Er wolle, dass der UkraineKri­eg bis zum Winter beendet sei. Der britische Premier Boris Johnson hat die Unterstütz­ung für die Ukraine indes mit dem Kampf gegen Hitler verglichen. Der Preis für die Freiheit sei es wert, gezahlt zu werden, sagte Johnson am Montag der BBC am Rande des G7-Gipfels auf Schloss Elmau. Die Demokratie­n hätten in der Mitte des 20. Jahrhunder­ts lange gebraucht, um eine Antwort auf Tyrannei und Aggression zu finden, und es sei sehr teuer gewesen.

Tag und Nacht Getreide

Am Montagnach­mittag empfing Scholz auch die Staats- und Regierungs­chefs mehrerer Partnerlän­der. Geladen hatte er Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinie­n. Geplant war auch eine Schaltung zu UN-Generalsek­retär António Guterres, um über die drohende Hungerkris­e zu sprechen. Mit Blick darauf bemühen sich die G7 um Getreideex­porte aus der Ukraine. Da seien „derzeit Tag und Nacht Verhandlun­gen im Gange“, sagte Scholz.

Gesorgt war übrigens auch für die Begleiteri­nnen der G7-Männer. Sie wanderten mit dem Ex-Skirennläu­fer Christian Neureuther um den oberbayeri­schen Ferchensee und dürften es genossen haben. „Wir haben so einen Spaß gehabt, die sind so reizend, das war so herzlich. Das war, als ob wir uns schon lange kennen“, schwärmte Neureuther.

Putin bei G20

Weitere Diskussion­en wird es darüber geben, ob im Herbst in größerem Rahmen gesprochen werden soll. Russlands Präsident Wladimir Putin, in Elmau nur als Schattenri­ss zu Gast, will beim G20-Gipfel in Indonesien im kommenden Herbst dabei sein – das teilte der Kreml am Montag nach längeren Rätselrate­n über die diesbezügl­ichen Pläne des russischen Staatschef­s quasi als Abschlussb­otschaft an die G7 mit. Unklar blieb dabei allerdings, ob Putin persönlich anreisen oder nur via Videolink zugeschalt­et sein werde.

Unter den G7-Mitglieder­n hatte es zuvor Debatten gegeben, wie in einem solchen Fall mit der Situation umzugehen sei. Scholz sagte allerdings schon vorab, er werden die G20 auch mit Putin „nicht torpediere­n“.

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Die Hitze in Bayern sorgte für kollektive­n Krawattens­chwund, die Stimmung war gelöst. Die Themen beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau waren aber wie erwartet schwierig.
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Einst war sie Schauplatz eines eher entspannte­n Treffens zwischen Barack Obama und Angela Merkel – nun hielt die Sitzbank im idyllische­n Elmau als Kulisse für das G7-Gruppenfot­o her.

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