Wie Lukaschenko schlingernd in die Abhängigkeit von Moskau geriet
Der belarussische Staatschef sandte auch aus Österreich Signale gen Westen – und verharrte doch in der Umklammerung Moskaus
Noch 2019 sah es so aus, als stünden die Zeichen auf Entspannung. Im März empfing der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko den damaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz in Minsk, im November gab es den Gegenbesuch in Wien. Lukaschenko, so lautete eine weitverbreitete These, wolle sich aus der immer stärkeren Umklammerung Russlands befreien und seine Kontakte zur EU intensivieren.
Aus heutiger Sicht mag das weit entfernt sein von jeder politischen Realität. Damals aber schien Lukaschenkos traditionelle Schaukelpolitik zwischen West und Ost tatsächlich Richtung Europa auszuschlagen. Dass Moskau dadurch seinen Einfluss in Osteuropa einmal mehr bedroht sehen könnte, war auch Kurz bewusst: Belarus dürfe nicht vor eine Zerreißprobe gestellt werden, erklärte der Kanzler, der sich gerne als „Brückenbauer“präsentierte. Das Land könne sich durchaus an die EU annähern, „ohne seine traditionell guten Beziehungen zu Russland aufzugeben“.
Zwischen Belarus und Österreich – damals nach Russland zweitgrößter dortiger Investor – gab es auch jede Menge wirtschaftlichen Gesprächsstoff. Missachtung von Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten wollte Sebastian Kurz aber „nicht schönreden“, wie er behauptete. Genau deshalb sei es wichtig, auch den politischen Dialog aufrechtzuerhalten.
Nur wenige Monate später erwiesen sich alle Hoffnungen auf ein Tauwetter in Belarus als trügerisch. Der Wendepunkt kam mit der umstrittenen Präsidentschaftswahl im August 2020, in der Lukaschenko einen Sieg mit über 80 Prozent der Stimmen für sich reklamierte. Dass auch die EU die Wahl nicht als legitim anerkannte, hinderte Lukaschenko nicht daran, die Proteste im eigenen Land brutal niederschlagen zu lassen. Zehntausende Demonstrierende wurden vorübergehend festgenommen, hunderte wurden verletzt, mehrere Menschen getötet.
Exil oder Haft
Bald herrschte wieder Eiszeit in Belarus. Swetlana Tichanowskaja, die bei der Präsidentschaftswahl gegen Lukaschenko angetreten war, wurde ins litauische Exil gedrängt und führt von dort aus die Demokratiebewegung in ihrem Land an. Menschen aus ihrem engsten Umfeld sind zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. So erhielt Maria Kolesnikowa, eine ihrer Mitstreiterinnen aus dem Wahlkampf, elf Jahre Lagerhaft, der ehemalige Oppositionspolitiker Wiktor Babariko wurde zu 14 Jahren verurteilt.
Mitte Dezember 2021 schließlich kam das niederschmetternde Urteil gegen Tichanowskajas Ehemann Sergej Tichanowski: Der 43-Jährige muss wegen „Vorbereitung und Organisation von Massenaufständen“für 18 Jahre ins Straflager.
Der russische Präsident Wladimir Putin war in dieser Entwicklung von Anfang an der lachende Dritte: Die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Belarus führte zu Sanktionen der Europäischen Union gegen Lukaschenkos Regime. Dieser manövrierte sich damit immer mehr in genau jene Abhängigkeit von Moskau, die er zuvor durch seine Schaukelpolitik offenbar verringern wollte.
Im Februar 2022 schließlich wurde sein Land zum Aufmarschgebiet russischer Truppen für deren Feldzug gegen die Ukraine.